Paddeln auf einem nicht fließenden
Fluss inmitten von Weingärten
Freitags geht’s los.
Drei Mann und drei Boote in bzw. auf einem Auto. Als Zeitraum haben
wir eine Woche Anfang Juli gewählt, weil das Wetter Anfang Juli
immer gut ist. Eigentlich wären wir vier Mann in zwei Autos gewesen,
aber einer ist verletzungsbedingt, wegen sportlicher Aktivitäten in
einer anderen Disziplin, im letzten Augenblick ausgefallen. Wir
ziehen auf der Autobahn von Linz an der Donau 700 km nach Nordwesten,
wo die Mosel durch Weingärten mäandert. Es ist eine unkomplizierte
Fahrt. Im Navi haben wir als Zieladresse „An
der Jugendherberge 2, 54292 Trier“ eingegeben. Aus dem
Internet wissen wir, dass dort die „Trierer Kanufahrer“ hausen.
Wir finden das Bootshaus problemlos und werden von den heimischen
Paddlern und einer netten Dame freundlich empfangen und unterstützt.
Weil es regnet, darf ich mein Faltboot im Bootshaus zusammenbauen.
Auf dem Klubgelände können wir für den Zeitraum unserer Reise
unser Auto parken.
Wir wandern mit den Bootssäcken ins
Hotel, gehen zunächst in ein Restaurant mit Fernsehgerät (es ist
Fußball-Weltmeisterschaft), schauen uns aber die 2. Halbzeit beim
„Public Viewing“ auf einem gerammelt vollen, großen Platz an.
Dann trotten wir müde zurück ins Hotel.
Samstag
Beim Frühstück unterhalten wir uns
über „basische Ernährung“, weil einer von uns, ich sag nicht
wer, vor einem Monat eine entsprechende Kur nötig hatte, um zehn
Kilo abzunehmen. Es ist ihm so gut gelungen, dass ich ihn bei der
Abfahrt kaum erkannt habe. Wir drücken Eier, Wurst, Butter, Cereals,
Marmelade Honig und Brot in uns hinein und wissen aus dem
Wetterbericht, dass in dieser Woche alles möglich ist, nur kein
wirklicher Sonnenschein.
Im Bewusstsein, dass es eine feuchte
Woche werden wird, schieben wir bei Flusskilometer 191 unsere Boote
ins Wasser. Als wir drinnen sind, entsteht der Verdacht, dass wir
mangels Fließgeschwindigkeit nur relativ langsam vorankommen werden.
Dafür werden wir uns aber auch jeden Zentimeter eigenhändig
erarbeitet haben.
Im Laufe der Fahrt erkennen wir, dass
die Mosel für Kajaks kaum Ausstiegsmöglichkeiten bietet. Es gibt
nur an ganz wenigen Stellen Rampen oder geeignete Anlegestellen, von
Schotterbänken als Rastmöglichkeit gar nicht zu reden. Auf den
steilen Hängen des Moseltales, die sich rechts und links von uns
zeigen, ist jeder Quadratzentimeter Boden mit Reben bedeckt. Schaut
reizvoll aus und macht uns schon in der Früh den Mund für eine
abendliche Verkostung der Moselweine wässrig.
Die Fahrt ist schön, aber großteils
verregnet. Da die Lufttemperatur bei 20°C liegt, macht uns die
Feuchtigkeit von oben kaum Probleme. Unter unseren Anoraks und den
Spritzdecken ist es fast zu warm.
Nach ein paar kräftigen Güssen finden
wir am frühen Nachmittag in Pölich, bei Stromkilometer 169, links
einen Bootshafen, wo wir gleich rechts an einer Slipanlage
aussteigen, weil wir eine Pause machen wollen. Weil es immer noch
regnet und uns der Hafenmeister ein Hotel in der Nähe empfiehlt,
entschließen wir uns dann aber, im Ort Pölich zu übernachten.
Nicht ganz unmotivierend war dabei, dass am Abend ein Weinfest
angesagt war! Wir besuchen dieses auch, aber darüber schweigt die
Chronik.
Sonntag
Nach einem einfachen Frühstück treten
wir den Rückmarsch zu den Booten an. Mit unseren Bootssäcken
behängt wie die Christbäume, müssen wir auf Beobachter einen
interessanten Eindruck gemacht haben. Bald sind wir wieder aus dem
Hafenbecken draußen. Habe ich schon erwähnt, dass es im Moment
nicht regnet? Es regnet nicht!
Wir erreichen nach zwei Kilometern das
Kraftwerk Detzem. Weil es keine Bootsgasse gibt und wir nicht
umtragen wollen, benutzen wir die Selbstbedienungsschleuse für
Sportboote. Auf einer elektronischen Tafel wird jeder Schritt, der
dabei zu unternehmen ist oder welche Vorgänge im Moment laufen und
wie lange diese dauern, hervorragend erklärt. Der Nachteil beim
Schleusen ist die lange Wartezeit. Hier haben wir noch dazu neun Meter
Absenkung zu absolvieren.
Bei schwülem Wetter fahren wir bis
Piesport/Niederemmel. Dort finden wir bei Flusskilometer 148 vor
einem Hotel eine geeignete Stelle zum Aussetzen. Wir können die
Boote schonend über eine Graskante herausziehen.
Ziemlich verschwitzt erkundigen wir uns
ob Zimmer frei wären und bekommen prompt welche. Die Boote dürfen
wir auf Bootswagen auf dem englischen Rasen des Hotelparks liegen
lassen. Eine Stunde später durchqueren wir geduscht, geschnäuzt,
gekämmt und adrett gekleidet das Hotelportal und begeben uns auf die
Suche nach Sehenswürdigkeiten. Leider werden wir bei diesem
Bestreben durch einen hinterhältigen Eissalon ziemlich aufgehalten.
Abendessen gibt’s später dann im Gastgarten des Hotels unter einem
Sonnenschirm. Als das Essen serviert wird, wird aus dem Sonnenschirm
ein Regenschirm und ein paar Minuten später ersucht uns das Personal
bereits, diesen Ort in Richtung Trockenheit zu verlassen, weil uns
der Schirm bei dem zu erwartenden Sturm bald um die Ohren fliegen
könnte. Wir kommen dem Vorschlag gerne nach, ergattern einen Tisch
mit Panoramablick und beobachten, was hier gerade über Land und
Wasser zieht. Beim Essen beschwert sich Erwin, dass wir bisher
eigentlich noch nichts geleistet hätten. Wo er recht hat, hat er
recht.
Montag
Nach kurzer Zeit erreichen wir bei
Flusskilometer 138,5 dir Staustufe Wintrich. Hier gibt es eine
Bootsgasse! Ich melde mich freiwillig für die Erstdurchfahrt. Meine
beiden Kollegen lesen mir den Ablauf, der auf einer Tafel an der
Kaimauer steht, genau vor. Nützt aber nichts. Ich missverstehe eine
der Anweisungen und fahre zu früh in die Gasse ein, was den
Schleusenwärter veranlasst, nachzuschauen, ob ich heil unten
angekommen bin. Als er sieht, dass trotzdem alles geklappt hat, gibt
er die Gasse für die anderen wieder frei. Ich warte währenddessen
unten mit meiner gezückten Outdoor-Kamera auf meine Kollegen. Beim
ersten murkse ich an der Kamera herum, weil ich wegen der Spiegelung
am Display kaum etwas sehe. Erst als er herunten ist, kriege ich es
hin. Zu spät. Mit diesem Erfahrungsschatz schaffe ich es
schließlich, die nächste Durchfahrt zu dokumentieren.
Auf der Weiterfahrt sehen wir – wie
auch schon bisher – rechts und links des Flusses ein reizvolles
Dörfchen nach dem anderen.
Zwischendurch finden wir tatsächlich
mal eine Schotterbank! So eine Gelegenheit zwingt uns förmlich zur
Rast. Wir verspeisen unsere Käsesemmeln und Äpfel, die uns Erwin
selbstlos in aller Frühe besorgt hat.
Weiter geht es, vorbei an Mühlheim,
Bernkastel-Kues und Wehlen bis zur Staustufe Zeltingen, bei
Flusskilometer 124. Hier gibt es wieder eine Bootsgasse. Eine mit
einem ordentlichen Schwall im Unterwasser. Ich hätte halt doch die
Spritzdecke nehmen sollen ...
Als ich einen Kilometer weiter, bei
Zeltingen-Rachtig das Boot innen wieder trockenlege, spricht mich
jemand auf mein Klepper-Faltboot an. Ein Ehepaar, das früher
begeistert mit einem Zweier-Kajak von Klepper unterwegs war, nützt
die Gelegenheit zu einem Plausch mit uns. Wir kriegen wertvolle Tipps
für spätere Fahrten auf deutschen Flüssen.
Wir sind jetzt auf Flusskilometer 123
und beschließen hier zu nächtigen. Erwin macht sich auf die Suche
nach einer Bleibe. Kurz darauf erscheint er mit Zimmerschlüsseln und
wir bewegen unsere Boote wieder mal ein schönes Stück auf Rädern
über Land. Diesmal ist es nicht nur unten trocken. Es scheint sogar
ein bisschen die Sonne. Unsere Wirtsleute machen in einer winzigen
Seitenstraße einen Platz frei und wir schlichten die Kajaks in eine
Nische zwischen Hauswand und Blumentöpfen.
Eine Stunde später verlassen drei
saubere, frisch geduschte Herren ihre Herberge und erkunden das Dorf.
Auch hier finden wir wieder die aus Schiefersteinen errichteten
Kirchen mit Spitzdach, die uns schon in anderen Ortschaften
aufgefallen sind. Auch zahlreiche alte Häuser bestehen überwiegend
aus Schiefer.
Wir finden Hochwassermarken, die
zeigen, dass es hier bis in jüngste Zeit große Überschwemmungen
gegeben hat.
Beim Herumstreifen genießen wir die
Sonne und die angenehme Temperatur. Wir trinken Traubensaft,
Moselwein und Mineralwasser, essen in einem netten Restaurant zu
Abend und gehen nicht zu spät ins Bett.
Dienstag
In der Nacht hat es – wie üblich –
einen Schlechtwettereinbruch gegeben. Erich hat einige Sachen auf dem
Boot zum Trocknen liegen lassen. Dafür hätte es bessere Plätze
gegeben. Die Temperatur ist stark gesunken. Wir erkennen: ab jetzt
werden wir nicht nur nass sein, sondern auch frieren. Beim Frühstück
gibt es eine längere Diskussion, wie mit den gegebenen Umständen
umzugehen sei. Weil zum Kajakfahren das Fahren bei Schlechtwetter
dazugehört, ergibt sich schließlich eine Dreidrittelmehrheit fürs
Weiterfahren. Nass ziehen wir die Boote zum Fluss, nass steigen wir
ein, nass fahren wir weiter.
Nur wenn ich mich bewege ist mir warm.
Das führt dazu, dass ich gemeinsam mit dem einen Kollegen im Kreis
herum paddle, während der andere draußen eine kurze Pause macht um
sich die Füße ein bisschen zu vertreten. Trotzdem erkennen wir,
dass auch eine Regenfahrt lustig und bereichernd sein kann. Als wir
bei Stromkilometer 107, in Traben-Trarbach, allerdings eine Rampe
entdecken, die sich zum Aussteigen anbietet, beschließen wir, dass
auch der schönste Spaß mal ein Ende haben muss. Weil die
majestätischen Schwäne, die hier herumschwimmen, auch eine
Hinterseite haben, ist die Ausstiegsrampe voller Tretminen. Wir
schaffen es aber doch, unsere Fahrzeuge einigermaßen sauber aus dem
Wasser zu bekommen und unter eine nahe Straßenbrücke zu ziehen.
Erich und Erwin finden 50 Meter weiter ein Hotel, bei dem wir die
Möglichkeit haben, die Boote in der Tiefgarage abzustellen, wo wir
auch unsere Ausrüstung trocknen können.
Donnerstag war unser geplanter
Heimreisetag. Für Mittwoch ist aber noch schlechteres Wetter
angesagt, als heute. Also wieder einstimmiger Beschluss: Wir beenden
hier unsere Moselfahrt.
Knapp darauf ist Erwin schon mit dem
Zug unterwegs zu seinem Auto in Trier. Kaum dreieinhalb Stunden
später ist er wieder zurück. Wir wandern mit Leih-Regenschirmen aus
unserem Hotel ein bisschen in der Stadt herum, essen zu Abend und
schauen uns um 22 Uhr das Weltmeisterschafts-Halbfinalspiel
Brasilien-Deutschland an, das wohl keiner, der es gesehen hat, je
vergessen wird.
Mittwoch
Wie durch die Wettervorhersage
angekündigt, regnet es, als wir die Boote am Autodach verzurren. Es
regnet auch fast auf der ganzen Rückfahrt. Sollte jemand fragen, wie
das Wetter bei unserer Moseltour war, können wir aber trotz allem
sagen: „Gut. Hat gepasst.“
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