20100221

Kajak-Donaureise 2007, Mosoni-Donau - Ungarn - Serbien - Bulgarien

Kozlodui, Bulgarien
 

Reisetagebuch
Anlässlich meiner Pensionierung im Jahr 2007 habe ich eine Paddeltour auf der Donau unternommen, die ursprünglich von der österreichischen Grenze bis zum Eisernen Tor führen sollte. Die Tour hat mich dann allerdings ein bisschen weiter gebracht, nämlich nach Ruse in Bulgarien.
Die Idee dieser Reise war, nach einem langen, ausgefüllten Arbeistleben beim Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) eine Zäsur einzubauen, die mich zur Ruhe kommen lassen und mir neue Werte eröffnen sollte. Heute kann ich sagen: Beides ist gelungen.
Ich habe diese Reise ganz allein unternommen und bereits die Vorbereitung darauf sind jetzt ein wichtiger Teil meiner persönlichen Geschichte.
Ich veröffentliche meine Erlebnisse hier, weil ähnliche Reisetagebücher eine wichtige Informationsquelle bei der Vorbereitung und Durchführung der Fahrt waren.
Mein Boot ist ein Fünfmeterkajak, der „Aerius Langeiner Expedition“ von Klepper, der sich für diese Fahrt als sehr geeignet erwiesen hat.
Geholfen hat mir meine 30-jährige Flusspaddelerfahrung, hautpsächlich mit einem Zweier-Canadier. So habe ich neben anderen Flusswanderungen zusammen mit meiner Frau Gertrude die Donau von Ulm bis Hainburg an der Donau in Etappen befahren.

Im Anschluss an meinen Bericht ist ein Link zu einigen Fotos von dieser Fahrt enthalten, der einige Szenen meiner Reise illustrieren soll.
Die Reise 
Mosoni Donau

Donau


1.6. (Freitag)
6.00 Abfahrt mit dem Auto in Linz. Meine Frau bringt mich zur Startposition an der österreichisch-ungarischen Grenze.
Einsetzen in Mosoni-Donau bei km 102,0, um 12.15 Uhr. Position N47°55’22,7“ O017°16’58,2“. Wunderschöne Aulandschaft. Ein paar Wasserpumpen zur Feldbewässerung. Reiher! Im Vergleich zum Startplatz wird die Strömung geringer. Bei 85,2 ist ein Wehr. Es sind 15 Meter umzusetzen. Leider muss ich dazu mein Faltboot ausräumen, weil ich es in vollgepacktem Zustand nicht schleppen kann. Frösche quaken. Anschließend Fahrt bis 64,5, wo ich einen schönen Campingplatz finde. Abends steht dort nur ein Zelt, nämlich meines. Aber es gibt ein Gasthaus. Heute bin ich 5 Stunden 45 Minuten gepaddelt. 38 km. Vom Wetter bin ich verwöhnt worden. Es gab ganztägig Sonne. Ich fühle mich super. Beim Abendessen Gespräch mit Wirtin. Sie ist Lehrerin. Kinder und Gatte führen den Campingplatz.
2.6. (Samstag)
Um 7.30 Uhr genehmige ich mir ein Frühstück im Campingplatzgasthaus. 8.15 ist Abfahrt und schon um 9.30 mache ich eine Rast am Ufer. Ich sehe eine Schildkröte und einen Kormoran. Nach dieser Rast paddle ich bis 14.00 Uhr durch. Ca. 14 km vor dem Campingplatz Györ schlage ich mein Zelt wegen eines Gewitters auf. Eine Reiterin auf einem sattellosen Pferd kommt die Böschung herunter. Das Gewitter erweist sich als kurz, mit wenig Regen. Bald scheint wieder die Sonne. Abends mache ich einen Besuch im fünf Minuten entfernten Dorf. In einem Gasthau esse ich ein Wildgulasch. Das ist Leben! Den Abend verbringe ich mit sitzen, schauen und Landschaft genießen. Ich bin in Györzamoly und habe heute nur 40 km hinter mich gebracht.
3.6. (Sonntag)
Es ist 16.30 Uhr. Habe heute gerade mein erstes Essen hinter mir, außer einem Frühstücksapfel und zwei Müsliriegel. Bin um 6.45 Uhr von Mosoni-Duna bei km 20,5 abgefahren und wollte bis zur Donaumündung (Donau-Stromkilometer 1794), aber da war kein Campingplatz. Die Mündung in die Donau ist beeindruckend breit und es herrscht eine gute Strömung. Natürlich gibt es durch den Zusammenfluss mehrere Strudel. Auf Stromkilometer 1772 war im Führer ein Campingplatz eingezeichnet, aber da gibt es keinen. Ich fahre bis Stromkilometer 1767 weiter und bin schon sehr müde. Ich übernachte "wild" in der Nähe einer Bahnlinie. Schräg gegenüber ist der Hafen Komarno (Geburtsort von Franz Lehar).
Heute bin ich von 6.45 bis 15.00 Uhr gepaddelt und habe insgesamt nur eine Stunde pausiert. Harter Tag. Der Hintern tut mir vom Sitzen weh. Ich bin 48,5 km gefahren. Gutes Gefühl. Ich beschließe, morgen einen Campingplatz zu suchen, auszuspannen und Wäsche zu waschen. Bereits um 8.00 Uhr lege ich mich schlafen.
4.6. (Montag)
Bin bis halb sechs „im Bett“ gewesen. Dann folgt Katzenwäsche und Zähneputzen. Ich paddle bis zu einem Campingplatz, indem ich bei Stromkilometer 1744 in einen rechten Nebenarm einbiege und 2 km zurückpaddle. Es ist ein moderner Platz, der auch höhere Preise hat. Geduscht, rasiert, Wäsche gewaschen – zufrieden.
Im Restaurant gibt es für mich Schweinsmedaillons mit Letscho und ein Bier („Sopron“). So ein 25-km-Tag hat auch etwas für sich :-) Das Wetter war in der Früh diesig und hat erst gegen 11.00 Uhr aufgeklart. Ich schicke mein erstes sms an meine Frau. Heute bin ich um 7.10 Uhr abgefahren und um 10.30 Uhr am Platz angekommen. Jetzt, um 12.30 Uhr, sitze ich im Campingplatzrestaurant und lasse es mir gut gehen.
Erkenntnis: Paddeln macht weniger Problem als sitzen. Mein Hintern beginnt nach drei Stunden zu schmerzen. Ich muss eine neue, weichere Sitzgelegenheit erfinden. Ich dachte, mein improvisierter Sitz auf dem Schlafsack und anderen Utensilien wäre weich genug.
Beim Campen ohne Campingplatz ist Wasser die große Mangelware. Ich brauche allein zum Trinken mindestens 2 Liter täglich. Hier am Campingplatz genieße ich den Überfluss. Am Nachmittag werde ich von einem 70-jährigen Paddelfreak aus Deutschland angesprochen. Er ist mit dem Wohnwagen da und erzählt, er hätte 1956 mit einem Freund in einem Paddel-Zweier-Faltboot die österreichische Donau befahren. Wir haben eine Weile gefachsimpelt. Als er auf der Wäscheleine mein ÖGB-Leiberl sieht und nachfragt, erzählt er, er wäre seit mehr als 50 Jahren bei ver.di (bzw. der deutschen Vorgängergewerkschaft).
Am Campingplatz sehe ich meinen ersten Storch. Später spreche ich mit einem Holländer, etwa 60 Jahre alt. Seine Tochter lebt in Budapest. Er ist mit seiner Frau von Holland mit dem Rad nach Santiago de Compostella gefahren. Seine Mutter war sehr katholisch und ist mit 62 gestorben. Sie wollte immer nach Lourdes, hat es aber nie dorthin geschafft. Die Söhne haben daher beschlossen, für sie nach Santiago zu fahren. Er macht die Reise im nächsten Jahr noch einmal mit seinem älteren Bruder.
Abends genehmige ich mir noch ein Bier. Ich hab schon lange nicht soviel Bier getrunken, wie auf dieser Reise. Man gönnt sich ja sonst nichts.
5.6. (Dienstag)
Abfahrt um 7.15 Uhr, bei unsicherem Wetter. Nach einer Stunde fällt ein schwerer Gewitterregen. Für mich bedeutet das eine Stunde Pause unter dem Biwaksack. Das Boot habe ich herausgezogen und mit der Persenning abgedeckt. Ein Kormoran jagt in 20 Meter Entfernung, da er mich unter dem Biwaksack nicht als Mensch wahrnimmt. Er schwimmt mit dem Körper unter Wasser, fast wie ein Säugetier. Um 9.15 Uhr Weiterfahrt. Die Kilometerangaben auf dieser Strecke der Donau sind relativ lückenhaft.
Bei Stromkilometer 1718,5 erreiche ich Estergon. Ich sehe die riesige Basilika und mehrere Passagierschiffe. Später mache ich eine Rast mit Mittagessen: Brot mit in Honig eingelegten Nüssen.
Um 15.00 Uhr herum komme ich zur Staatsgrenze Slowakei-Ungarn bei 1708,2. Ich passiere eine Fähre. Bei Stromkilometer 1704,5 sehe ich eine Einfahrt in ein Hafenbecken mit einem Sandstrand. Idealer Campingplatz. Hier schwimme ich und mache Körperpflege. Am Strand sind noch ein paar Zelte versteckt, aber keine Leute zu sehen. Wahrscheinlich „Wochenendhäuser“ der Leute von hier. Nur ein Zelt bei der Einfahrt ist besetzt. Von einem Fischer. Heute gefahren: von Stromkilometer 1746 bis 1704 = 42 km. Nach 8 Stunden bin ich ein bisschen müde. Ich werde dann noch was kochen und den Tag ausklingen lassen. Mein Zelt steht mit Blick zum Donaunebenarm-Binnensee. Während ich Bohnen esse, fährt eine Kajak-Schule vorbei. Zur Nachspeise gibt es selbstgemachte Quittenmarmelade, die mir mein Bruder mitgegeben hat. Eben hat mich ein bunter Vogel besucht. Der Abend ist noch sehr sonnig. Es ist 18.00 Uhr. Von 19.00 bis 20.00 Uhr tobt ein heftiges Gewitter. Im Zelt ist es mollig warm und trocken.
6.6. (Mittwoch)
Es hat die ganze Nacht geregnet, in der Früh aber aufgeklart. Das Zelt ist sehr nass. Um 6.45 Uhr fahre ich ab. Dabei hätte ich beinahe eine Angelleine übersehen. Beim Überfahren der Leine reiße ich im letzten Augenblick das Steuer mit der sehr praktischen entsprechenden Vorrichtung meines Klepper-Bootes hoch, sonst hätte ich die Leine des Fischers mitgenommen. Jetzt, 10.30 Uhr, mache ich Rast auf einer Sandbank gegenüber Vác (Stromkilometer1680). Vor einer halben Stunde belästigte mich eine Art Wassermotorrad. Momentan ist es sehr heiß. Ein Schmetterling sitzt auf meinem Fuß – bräunlich, gelb, violett. Um 12.30 Uhr finde ich in Szigetmonostor einen schönen Platz zum Campen. Der Platz liegt gleich neben einer Personenfähre. Gerade habe ich mir vom Fährmann fünf Liter Wasser geschnorrt. Mein Zelt steht bei Stromkilometer 1668,5. Ein Gewitter zieht auf, aber mein Zelt steht schon, alles ist eingeräumt und das Boot ist gesichert. Heute bin ich einer abenteuerlicher Gruppe begegnet. Es sind drei Burschen aus Wien auf drei zusammengehängten (Bade-) Schlauchbooten. Als „Segel“ auf dem vorderen Boot diente die gesamte Kleidung des Teams. Die drei lassen sich im Wesentlichen treiben.
Das Gewitter ist vorbeigezogen ohne zuzuschlagen. Es gab nur ein paar Tropfen Regen. Ich besuche um 14.30 Uhr ein Restaurant in 200 Meter Entfernung und esse wieder mal ein Gulasch. Schließlich bin ich in Ungarn. Die Speisekarte ist in drei Sprachen abgefasst, aber das Restaurant ist zurzeit fast leer.
Heute gefahren: 1704 – 1668 = 36 km.
Abends bin ich durch den Ort gegangen. Er ist großflächig angelegt mit sehr großen Grundstücken bei den Häusern. Sieht aus, als ob die Häuser im Wald stehen. Zu Fuß konnte ich kein Zentrum von Szigetmonostor finden.Erkenntnis: Ich wundere mich über mich selber, wie sorglos ich in den Tag hinein lebe und wie gut ich Nichtstun kann! Ich freue mich über mein praktisches kleines Tagebuch, das mir ein ehemaliger Kollege für diese Reise geschenkt hat. Eigentlich würde ich mich gern jeden Tag telefonisch bei meiner Frau melden, tu es aber nicht, weil sie sich sonst Sorgen machen würde, wenn ich mal eine Woche lang wegen leerem Akku oder keinem Empfang Funkstille halten müsste. Wir haben zu Hause vereinbart, dass ich mich jedenfalls einmal wöchentlich melde.
7.6. (Donnerstag)
Wieder mal Gewitter im Anzug. Bin heute von 6.30 bis 16.20 Uhr gefahren. Dabei habe ich zweimal 30 Minuten Pause gemacht und mich ein paar Mal einige Minuten im Boot treiben lassen. Ich halte das aber immer nur fünf Minuten lang aus, dann wird es mir zu fad. Im Moment bin ich wieder mal auf einem ortsüblichen Campingplatz ohne Infrastruktur. Körperpflege mache ich in der Donau. Heute gefahren: Stromkilometer 1668 – 1598 = 70 km. Bin stolz.
Morgen Mittag bin ich genau eine Woche unterwegs. Die Durchfahrt durch Budapest war sehr beeindruckend und lang. Die Fahrt durch Ungarn ist teilweise recht langweilig. Breiter Strom und kilometerweit nichts los. Das Abendessen gebe ich mir in einem Buffet bei einer Fähre. Auswahl an Speisen: Würstel. Nach einem harten Tag auch nicht schlecht.
Hinter dem Fährhaus habe ich schließlich doch so etwas wie eine Camping-Infrastruktur gefunden. Nur fünf Minuten von meinem Zelt weg. Es ist 18.45 Uhr. Der Ort heißt Lórev. Ich habe Wäsche gewaschen und hoffe, dass sie bis zum Abend trocknet. Weil hier überall Schlamm ist, habe ich mit meinen Neoprenschuhen im Waschraum alles verdreckt, konnte es aber mangels Werkzeug nicht reinigen. Jedenfalls kann ich mir morgen eine Warmwasserrasur geben. Später mache ich mich auf die Suche nach dem Ort. Leider ist er ziemlich weit weg. Auf dem Weg durch den Wald finde ich große Mengen Müll. Schrecklich.

8.6. (Freitag)
Ich möchte heute erst abfahren, wenn die Wäsche trocken ist. In der Früh bemerke ich, dass der Rasierschaum ausgelaufen ist. Gott sei Dank in einen dichten Waschbeutel. Die Reinigung nimmt einige Zeit in Anspruch. Der Himmel ist am Vormittag noch ein bisschen grau. Heute will ich bis Dunfölvár fahren.
In Dunfölvár finde ich keine gute Anlegemöglichkeit und keinen Platz zum Campen. Ich fahre weiter bis Harta. Harta ist ein altes Donauschwabendorf, 4.000 Einwohner, 1723 gegründet. Ich sehe auf meiner Karte, dass es ein sogenanntes „Schwabenhaus“ gibt, ein Museum das im zwei Kilometer entfernten Dorf liegt und - wie man mir sagt - heute schon geschlossen hat. Ich beschließe, es anzuschauen.
Mein Lagerplatz befindet sich bei Stromkilometer 1546. Ich bin heute 52 km gepaddelt.
Nach dem Abendessen entschließe ich mich, noch die zwei km nach Hartá (Hartau) zu marschieren. Obwohl ich das Schwabenhaus für heute schon abgeschrieben habe, frage ich vorsichtshalber im Ort einen Radfahrer, der mir an einer Kreuzung entgegenkommt, danach. Dessen Rad hat aber keine Bremsen, er springt lebensgefährlich in die Kreuzung hinein ab, und begleitet mich zu diesem Museum. Wir stehen vor dem Schild "Geschlossen. Nur Dienstagnachmittag geöffnet oder gegen Anmeldung". Der Radfahrer zieht sein Handy aus der Tasche und ruft einen Herrn Peter Gottschall an. Der braust dann fünf Minuten später auf dem Motorrad an und mein hilfreicher Engel verabschiedet sich. Herr Gottschall macht für mich alleine eine Führung. Von ihm erfahre ich, Deutsch wird in Harta nur mehr von alten Leuten gesprochen. Die Jugend ist assimiliert. Er zeigt mir ein „Paradezimmer“, das mich an jene im rumänischen Banat erinnert. Von hier sind übrigens viele Donauschwaben in die Batschka und das heute serbische oder rumänische Banat weitergezogen. Die Donauschwabensiedlung Harta ist übrigens vor Jahren in einer Dissertation einer Dame bearbeitet worden.
Wieder beim Zelt angekommen gebe ich mir als Schlaftrunk noch ein Seidel Bier in einem Buffet. Ein Schiffs-Schotterbagger quietscht zum Gotterbarmen. Hoffentlich nicht die ganze Nacht.Zwei Herren aus Deutschland reden mich an ob ich hier paddle. Sie wohnen hier bei einem Freund und machen Touren in die Umgebung.
9.6. (Samstag)
Bin um 6.20 Uhr aufgebrochen. Sehr heiß. Sinnkrise nach SMS-Kontakt mit zu Hause. Was mache ich hier ganz alleine in der Fremde? Genau zu Mittag entdecke ich einen Traumstrand mit weißem Sand. Kaum habe ich meine Jause ausgepackt, höre ich blechernes Läuten. Eine Riesen-Kuhherde nimmt den Strand in Besitz. Ich flüchte hastig. Eine halbe Stunde später finde ich aber einen ähnlichen Strand mit schönem Schatten. Ich möchte heute unbedingt noch unter Stromkilometer 1500 kommen. Auch brauche ich heute mehr Schokolade als sonst um meine Psyche aufzupolieren :-)
Gegen drei Uhr finde ich einen guten Platz zum Lagern. Tageskilometer heute von Stromkilometer 1546 bis 1494 = 52 km.
Der Zeltplatz ist bei Stromkilometer 1494, rechts. Das Zelt ist rasch aufgebaut. Ich messe 33° C. Beim Baden werde ich von einem Herrn angesprochen, der mit Enkelin und Schwiegertochter hier ist. Er bietet mir an, meinen Trinkwasservorrat aufzufüllen. Er braust mit seinem Außenborder ab und kommt nach einer halben Stunde mit meiner gefüllten Wasserflasche und einigen Dosen Bier zurück. Ich freue mich über den Kontakt und das Bier. Bis jetzt bin ich insgesamt 375 km gepaddelt. Mein neuer Freund gibt mir seine E-Mailadresse, weil ich mich später von zu Hause aus bei ihm bedanken möchte. Dann werde ich von seinem Sohn auf eine Fahrt mit einem von mir eigentlich so gehassten Wasserscooter eingeladen. Er rast mit mir zehn Minuten über die Wellen. Dann trinke ich zwei Bier! Fühle mich komplett besoffen. Um 19.00 Uhr gebe ich mir noch eine Rasur. Ich werde wieder früh schlafen gehen. Resümee: Ein guter Tag. Ein Fischer grüßt von seinem Boot zu meinem Zelt herüber. Nachts: Wunderschöner Sternenhimmel.
10.6. (Sonntag)
Heute fahre ich von Stromkilometer 1494 bis 1447 = 53 km. Mein Zielort heißt Mohacs, an der Grenze zu Kroatien und Serbien. Heute, Sonntag, gibt es jede Menge Motorboote. Mittags nehme ich ein Donaubad und wasche mir die Haare. Ich wurde in Mohacs von sehr freundlichen Leuten empfangen, die meine österreichische Fahne am Boot gesehen haben. Alle helfen mir, einen Zeltplatz zu finden und einen Platz um das Boot durch einige Meter Schlamm herauszuziehen. Ich werde morgen Früh Mohacs besichtigen, einkaufen und mich bei der Wasserpolizei melden. Dann starte ich meine Ausreise nach Serbien. Auf meiner Uferseite ist kein Trinkwasser zu bekommen. Ich werde morgen welches im Ort auf der rechten Flussseite kaufen. Auch Obst und Brot. Die Fähre geht jede halbe Stunde. Ich hatte heute einen sehr schönen Tag, auch wunderbares Wetter. Auf dem Weg gab es auch wunderschöne Strände.
Plötzlich tauchen wieder meine ungarischen Freunde auf und schenken mir gerade drei Liter Mineralwasser. Ich werde mich über E-Mail bedanken.
Dann probiere ich ein Essen im Buffet auf meiner Flussseite. Hühnerbrüstchen mit Bratkartoffeln. Grauenhaft. Mit Palatschinken versuche ich dann mein geschmackliches Gleichgewicht wiederzuerlangen. Von den auf der Speisekarte ausgewiesenen Angeboten gibt’s übrigens nur ca. ¼ in der Realität.
Bis jetzt bin ich 456 km gefahren.

11.6. (Montag)
Bin heute um 5.00 Uhr Früh aufgewacht. Katzenwäsche. Ich breche mein Zelt ab, belade mein Boot und bereite mich auf Mohacs-Besuch, Einkauf und Behördengänge vor. An der rechten Flussseite angekommen, werde ich von einer Yacht-Besatzung angesprochen, die mich am Vortag auf der Donau bereits gesehen hatten. Der Yacht-Skipper hilft mir bei den Behördengänge in Mohacs und an der serbischen Grenze. Die Ungarischen Grenzpolizisten und Zöllner sind sehr freundlich aber auch kompliziert – es gilt jede Menge Formulare auszufüllen und drei verschiedene Stellen aufzusuchen. Der Skipper fährt mit seiner Crew von drei weiteren Männern in die Adria. Er arbeitet bei einer TV-Station in Budapest als Ingenieur. Wie er sagt, verdient er etwa 1.000 Euro. Pensionisten haben oft nur 300 Euro zum Leben. Viele Ungarn haben Doppeljobs.
Dann fahre ich von Mohac weg auf der linken Donauseite bis zur Grenzstation für Schiffe in Serbien, die ich vom Fluss aus beinahe übersehen hätte, etwa 20 km südlich von Mohacs. Zuerst einmal muss ich 57 Euro bezahlen. Genau die gleiche Summe wie die Yacht (!!) Es gibt sehr viel Papierkram. Jede Menge Computerausdrucke und Stempel. Aber: Der Name meines Bootes wird offiziell erfasst. "Gertrude" ist nun in Serbien amtlich. Das ist mir 57 Euro wert :-)
Von der Grenzstation weg fahre ich durch bis Apatin. Zwischendurch gibt es Regen, den ich mit meiner als Spritzdecke umfunktionierten Persenning bewältige, weil ich zu faul bin, die eigentliche Spritzdecke hervorzukramen. Um ca. halb sechs komme ich in Apatin an und werde direkt bei meinem Zeltplatz, 200 Meter von einem Hotel entfernt, von der Restaurant-Rezeptionistin auf Englisch willkommen geheißen. Man liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Der Chef schickt mir Willkommensbier zum Zeltplatz und kommt persönlich vorbei. Ich wasche mich und mein Hemd in der sehr sauberen Toilette des Hotels. Abends spricht mich ein etwa 70-jähriger Mann am Donauufer an. Er ist Donauschwabe und war Gewerkschaftsfunktionär von Apatin und in dieser Funktion zwei Jahre in Bonn. Er erzählt mir er hätte ein Foto mit Willy Brandt, auf das er stolz ist. Ich erfahre, dass Apatin früher rein schwäbisch war. Sein Vater ist Ungar, seine Mutter war Deutsche. Apatin war früher bei Ungarn und wurde nach dem 1. Weltkrieg Serbien zugeschlagen. Mihajlo, so heißt mein neuer Freund, ist traurig, weil seine Frau vor einiger Zeit vestorben ist. Er wundert sich, wie man so verwegen sein kann, allein die Donau runter zu fahren. Ich werde ihm von zu Hause eine Karte schreiben.
Am Abend gehe ich ins Restaurant fürstlich essen, bevor ich mich auf meine blaue Campingmatte mit spitzen Steinen drunter zur Ruhe lege. Heute: Stromkilometer 1447 bis 1401 = 46 km. Gesamt: 502.
Habe den ganzen Tag bis zum Abendessen nur von drei Stück Schokolade gelebt. Da habe ich mir schon ein ordentliches Essen verdient! Praktisch war auch, dass ich mit Erlaubnis des Kellners mein Handy aufladen konnte.

12.6. (Dienstag)
Und wieder jagt ein Abenteuer das andere :-) Um 6.15 Uhr aufgestanden. Sehr gut geschlafen – mit Schlafsack lediglich als Decke.Lange Fahrt in heißer Sonne. Gegen Mittag Bad mit Wäschetrocknen auf Schwemmholzbäumen und Haarwäsche.
Bei der Weiterfahrt kommt ein Fischer mit Boot auf gleiche Höhe und bietet mir aus einer Bierflasche Schnaps an. Zweimal habe ich mitgetrunken, dann aber wegen beginnender Trunkenheit abgelehnt.
Ich hatte als heutiges Ziel eigentlich Bogojevo vorgehabt, aber nach den beiden Brücken gab es nur ziemlich öde Zeltmöglichkeiten. Ich fahre daher weiter und entdecke eine Art Hafen, wo ich reinfahre. Für mich ist jetzt nur das linke Donauufer möglich, da ich in Serbien eingereist bin und meine Einreisepapiere daher für Kroatien (rechtes Ufer) nicht gelten. Ein Gewitter zieht auf und ich wate zuerst bis zu den Waden durch den Uferschlamm und versuche dann mein Zelt rasch aufzuschlagen. Plötzlich steht ein freundlicher, uniformierter junger Mann, der sich als Grenzpolizist vorstellt, neben mir. Er kontrolliert Pass und Einreisepapiere und notiert dieses und jenes in seinem Büchlein. Er ist sehr entgegenkommend und bietet mir an, dass ich in der Dienststelle Wasser bekommen kann. Es ist jetzt 14.00 Uhr. Angekommen bin ich um 12.30 Uhr. Das Gewitter verzieht sich wieder. Trotzdem beschließe ich, heute einen kurzen Tag zu machen und zu bleiben. Stromkilometer 1401 bis 1364 = 37 km. Gesamt: 539 km
An diesem Abend, genau einen Tag vor meinem 61. Geburtstag, gab es dann unerwarteterweise eine Vor-Geburtstagsfeier, die sich gewaschen hatte! Ich habe schon lange nicht mehr so viel gesoffen. Aber hier die ganze Geschichte: Als ich es mir in meinem Zelt gemütlich machen will, höre ich plötzlich lautes Rufen. Ich krieche raus und sehe am Uferdamm ein paar Fischer auf dem Heimweg, die mich zu sich rufen. Also schnappe ich mir meinen Rucksack mit den Dingen, ohne die ich mich auf dieser Reise nie von der Stelle bewege (Pass, Einreisepapiere, Geld, ...) und gehe ihnen entgegen. Gemeinsam marschieren wir dreihundert Meter zu einem Haus und damit bin ich in eine Gesellschaft mit fünf Brüdern geraten, mit ihrem 81-jährigem Vater. In einem auf einem Dreibein hängenden Kessel köchelt über einem Feuer aus langen Treibholzästen, die immer wieder nachgeschoben werden, Paprikasch mit allerlei Zutaten und extrem fettem Fleisch. Es gibt Schnaps, Bier, Wein. Alles in Kaffeetassen serviert. Ein fantastischer Nachmittag und Abend. Zu meinem Glück ist einer aus der Gruppe ein auch englisch sprechender Schiffsingenieur, der übersetzt. Er war auf dem Schiff auch schon in Linz und kennt die österreichische Donau. Seine Erklärungen und Übersetzungen geben mir unbezahlbare Einblicke in die serbische Seele. In dieser Familie gibt es ziemlich unterschiedliche politische Ansichten über den noch nicht lange zurückliegenden Krieg. Wichtig ist nur allen: „Habe niemanden umgebracht!“ Zwei kleine Hunde, die sich um die nahe Schafherde kümmern, fressen die knochigen Gulaschreste. Ein neuer Grenzpolizist aus der nahen Station mischt sich in die Gruppe und wird ohne Vorwarnung plötzlich amtlich. Er verlangt meinen Pass und kontrolliert ihn gewissenhaft. Naja. Etwas wackelig auf den Beinen verabschiede ich mich schließlich und verspreche, eine Karte aus Österreich zu schicken, bevor ich in meinem Zelt verschwinde.
13.6. (Mittwoch)
Um 14.20 Uhr sitze ich auf einem Grasteppich inmitten von duftender Pfefferminze im Schatten eines Baumes. Mein Zelt habe ich aufgebaut. Der Ort hier in der Nähe heißt Backa Novo Selo und liegt auf Stromkilometer 1319. 1364 bis1319 = 45 km Gesamt: 584
Heute bin ich trotz der gestrigen Orgie früh aufgestanden. Um 6.30 Uhr. Ich bin an Vukovar (Kroatien) vorbei gefahren. Die Stadt wirkt von der Donau aus gesehen noch sehr zerschossen. Es war ein sehr heißer Tag und ich schwitze wie verrückt. Zwischendurch bade ich immer wieder mal in der Donau um mich abzukühlen. Auf einer sehr flachen Sandbank muss ich 40 Meter hinauswaten um in tiefes Wasser zu kommen. Der Platz hier liegt an einem kleinen Seitenarm. Schade, dass kein Restaurant in der Nähe ist, zum Geburtstag feiern. Hoffentlich habe ich wenigstens Handy-Empfang. Vielleicht sind sms' angekommen. Muss ich gleich kontrollieren. Ich rieche gerade wieder ganz intensiv die Pfefferminzpflanzen. Gegenüber im Seitenarm ist eine Gänseherde. Ich habe mehrere Geburtstags-sms gekriegt. Um 15.30 Uhr: Regen zieht auf. Nach den Gänsen kommt jetzt eine Schafherde. Alle Schafe dieser Herde haben ein weißes Fell, aber einen schwarzen Kopf.
Auf dem Boot hat mich heute ziemlich lange ein Schmetterling besucht. Rotbrauner Falter. Ich habe auch einen Mini-Aal gesehen! Etwas 6 cm lang. Bis jetzt gibt es relativ wenige Gelsen. Ein echt romantischer Platz hier. Jetzt, nach 17.00 Uhr, sind gegenüber noch mehr Fischer aufgetaucht. Milde Luft, Sonne.
14.6. (Donnerstag)
Im Moment sitze ich auf einem schönen Grasplatz am Ende eines Altarms bei Backa Palanka. Meine heutige Leistung ist nicht berühmt. Stromkilometer 1319 bis 1295 = 24 km + 1 km Altarm = 25 km. Gesamt: 609 km
Überall liegen Nylonsackerl/Plastiktüten und Petflaschen herum. Auch Glasscherben. Ich war einkaufen (Bananen, Äpfel, Brot, Wasser, Tomaten). Das Dorf hat deutliche Spuren der Donauschwaben. Ich sehe das an der ganzen Dorfanlage und den Häusern. Die Geschäfte hier schauen aus wie in den 50-er-Jahren bei uns. Manchmal sehe ich sogar noch Gewichterwaagen! Aber zwischendurch auch elektronisches Gerät und Computerkassen. Ich habe vor, den Tag zu verdösen, einen Rasttag zu machen. Morgen möchte ich nach Novi Sad. Heute ist es wieder sehr heiß. Ich mache einen Spaziergang durch das Dorf. Extreme Hitze. Alles ist sehr ärmlich und provisorisch. Im Kiosk kaufe ich mir ein Eis um 30 Dinar. Viele winzige Geschäfte. Sogar ein Pet-Shop ist dabei! Alte Frauen sitzen im Schatten und schauen auf die Straße. Im Restaurant zu Mittag habe ich mir ein Wels-Paprikasch gegeben. Dabei habe ich zwei deutsche Männer als Vortrupp von 45 Personen bei Verhandlung mit dem Restaurant-Chef beobachtet. Es ist 17.00 Uhr. Aus dem Platz , wo ich mit meinem Faltboot angelegt habe, ist inzwischen ein Badestrand geworden. Ich beobachte winzige Flöhe, die in der Wiese gigantische Distanzen hüpfen. Gerade kommt eine sehr große Yacht den Altarm hereingefahren. Sie ist serbisch und mit einer EU-Fahne beflaggt! Nachdem kein Ankerplatz zu finden ist, fährt das Schiff wieder hinaus.
Erkenntnis heute: Ich kann locker einen halben Tag verdösen ohne mich zu langweilen. Ich kann das sogar genießen. Ein paar sms aus der Heimat tun mir gut.
15.6. (Freitag)
Heute bin ich um 6.00 Uhr losgefahren. Läuft gut. Die Donau ist hier breit und hat viele Inseln. Um 9.30 Uhr habe ich zur Abkühlung ein „Bad genommen“. Jetzt ist es später Nachmittag und ich sitze in einem Restaurant. Gerade ziehen drei rumänische Schiffe vorbei. Auf der Fahrt durch Novi Sad habe ich einen riesigen, offensichtlich gut in Schuss gehaltenen und sauberen weißen Sandstrand gesehen. Reste der von der Nato zerstörten Brücke sind noch vorhanden. Ich fahre weiter bis hier, nach Sremski Karlovci.
Stromkilometer 1295 bis 1244 = 51 + 1 km Altarm = 52 km. Gesamt: 661 km.
In meinem Restaurant kommt der Kellner vorbei und ich bestelle Fischsuppe Serbian Style (hot). Mein Zelt steht auf einem gerade noch annehmbar dreckigen Platz. Jede Menge Kids baden hier in der Donau.
Abends sitze ich vor meinem Zelt. Ein Herr mit Hund spricht mich an. Wir unterhalten uns ein bisschen auf serbisch/deutsch mit Händen und Füßen.
Nach dem Restaurantbesuch war ich in entsetzlicher Hitze einkaufen. Die Geschäfte sind überall gleich winzig. Alles erscheint mir relativ billig. Zwei Liter Mineralwasser kosten 31 Dinar = 30 Euro-Cent. Während ich im Restaurant gesessen bin, habe ich zwei Boote (Canadier) gesehen. Eines davon mit Doppelpaddel vorne und dem bei Canadiern üblichen Stechpaddel hinten. Beide Boote haben nach Gepäcksfahrt - also Langstrecke - ausgesehen. Eines davon war ungarisch beflaggt. Gut zu sehen, nicht der einzige Verrückte auf der Donau zu sein.
Habe mich übrigens schon ziemlich ans Campingleben gewöhnt. Hätte aber trotzdem nichts gegen ein ordentliches Bett, Bad und sonstige Wohltaten einzuwenden.

16.6. (Samstag)
Aufbruch um 6.00 Uhr. Gewitter in der Nacht, aber kaum Regen. Erste Rast um 8.00 Uhr bei Stromkilometer 1239 auf einer Insel. Langsam wachsen an den Ufern Hügel heran! Gegen 11.00 Uhr wate ich bei Stromkilometer 1215 durch Schlamm in ein Restaurant am Ufer. Ein Gast hilft mir beim Bestellen bzw. empfiehlt mir ein Gericht. Wir versuchen Konversation über "Pons Kroatisch-Reisewörterbuch“. Das funktioniert eher schlecht. Liegt aber nicht an Pons. Ich habe im Moment einen Müdigkeitsanfall, werde aber versuchen, etwas näher an Belgrad heranzukommen. Vielleicht schaffe ich noch 20 bis 25 km.
Denkste! Heute geht’s ordentlich zu. Um 14.00 Uhr ungefähr bei Stromkilometer 1209 erwischt mich ein stärkeres Gewitter. Zuerst sitze ich eineinhalb Stunden im Biwaksack um zu warten, dass es vorüber zieht. Na ja, eine Stunde davon habe ich verschlummert, wegen schöner Nachmittagsmüdigkeit. Ich liege unter dem Biwaksack auf der eingerollten Isomatte und meinem Rucksack und das ist trotz Inferno draußen irgendwie gemütlich. Als dann ein Dauerregen daraus zu werden scheint, entschließe ich mich, das Zelt im Regen aufzubauen.
Inzwischen habe ich die wichtigsten Dinge ins Zelt geschafft und warte erst mal ab. Es ist jetzt 16.30 Uhr und der Himmel ist komplett bedeckt. Viel wird nicht mehr daraus werden heute.
Stromkilometer 1244 bis 1209 = 35 km. Gesamt: 696 km.
17.00 Uhr: Es wird hell und warm im Zelt. Werde mal nachschauen, ob die Sonne dauerhaft da bleibt. Sie bleibt. Ich trockne meine Sachen in Sonne und Wind und verzehre ein frugales Abendessen. Auf meinem Zeltplatz bin ich mutterseelenallein und es ist wunderschön. Viele Schiffe ziehen vorbei. Ich habe auf der ganzen Fahrt bisher noch kein einziges österreichisches gesehen.

17.6. (Sonntag)
Heute ist um 6.30 Uhr Abfahrt. Wunderschöner Morgen . Das Zelt ist wegen des Morgentaus leider wieder saunass. Um 17.00 Uhr stoppe ich bei Stromkilometer1146 vor Vinca. Nach Belgrad habe ich den Weg durch einen Seitenarm genommen. Dabei wurde ich auf ein Wild-Gulasch auf einer Yacht eingeladen mit gespritztem Wein. Gerade während ein kurzer Regenguss runter ging. War interessant und lecker. Heute: Stromkilometer 1209 bis 1146 = 63 km. Nicht schlecht! Gesamt: 762 km. Ich lagere hier auf einem schönen, winzigen Zeltplatz mit Glasscherben am Strand. Bin echt froh um meine Neopren-Schuhe mit harter Sohle, die Scherben keine Chance gibt. Heute wurde ich von vielen Schiffern, Bootsfahrern und Fischern gegrüßt oder von Bootskapitänen lächelnd angehupt.
Die Sava-Mündung (Delta) in Belgrad ist sehr beeindruckend mit ihrer Festung auf der Belgrader Seite. Belgrad hat nur eine Donaubrücke. Eine Eisenkonstruktion.
Heute war ein guter Tag. Abends bin ich noch ein bisschen hinausgeschwommen. Gerade zieht wieder ein unmögliches Gefährt mit Jugendlichen vorüber. Hier sind sehr viele Selbstbau- bzw. Selbstaufbau-Boote zu sehen. Am Ufer sind zu jeder Tageszeit unzählige Fischer. Oft sehe ich springende Fische. Viele Kormorane und Reiher jagen um die Wette. Gerade trifft mich ein letzter Sonnenstrahl am Ufer. Es ist jetzt 18.30 Uhr. Ich gehe fast täglich um 20.00 Uhr ins "Bett" und stehe um 5.00 Uhr auf. Guter Rhythmus. Ich brauche viel Schlaf.
Manchmal sehe ich auch weiße Reiher und Schwäne. Das Eiserne Tor rückt langsam näher. In einer Woche etwa müsste ich dort sein. Bin schon sehr gespannt darauf.
18.6. (Montag)
Heute bin ich schon um 6.00 Uhr aufgebrochen und erst um 17.30 Uhr sitze ich etwas erschöpft vor meinem gerade aufgestellten Zelt. Ein etwas nerviger junger Fischer ist beim Aufstellen nicht von meiner Seite gewichen. Ich befinde mich an einem etwas erhöhter Platz (ca. 1,20 m über dem Wasserspiegel) mit gerade so vielen Quadratmetern, wie ich sie für mein Zelt brauche. Rechts und links sind noch ca. 1,5 m frei. wo ich gerade auf der Kamerabox als Stuhlersatz sitze. Der Platz ist direkt bei Mlava-Mündung.
Stromkilometer 1146 bis 1093 = 53 km. Gesamt: 815 km.
Habe heute Früh bei Grocka wieder die beiden Canadier gesehen, musste aber einkaufen und sie sind dann wieder davongefahren. In Smederevo habe ich sie dann eingeholt und in der Flussmitte ein bisschen mit einem von ihnen gequatscht. Es sind vier Ungarn in zwei Canadiern, die nach Constanța unterwegs sind. Wer weiß, vielleicht bin ich’s auch :-) Offene Frage: Ist der Kanal für Sportboote benutzbar? Sollte das nicht der Fall sein, haben die Vier vor, über das Delta zu fahren, 300 km weiter.Wir verabschieden uns und wünschen uns Glück.
Es muss ein kleiner Flugplatz in der Nähe sein, weil gerade ein hässliches Kleinflugzeug (Doppeldecker) startet. Ich wollte heute eigentlich schon 10 km vorher kampieren, aber das ist wegen einer Ölpest nicht gegangen. Ein wunderschöner, mehrere Kilometer langer Strand ist komplett mit Öl versaut. Noch viele Kilometer weiter ist ein dünner Ölfilm auf der Donau zu sehen. Das scheint hier keinen weiter zu stören.
Beim heutigen Einkauf habe ich auf die Äpfel vergessen, was bei dieser Hitze weh tut. Dafür bin ich jetzt im Besitz einer Menge Schokoriegel. Am Strand von Grocka hat mir ein Mann auf Deutsch Auskunft gegeben, wo ich ein Geschäft finde. Smederevo ist endlos lang und fad zu fahren. Noch dazu war ich schon recht müde, weil es ganz wenige Gelegenheiten zum Aussteigen und Füße vertreten gab. Mein nerviger Fischer besucht mich gerade wieder mit seinem Hund. Ich fotografiere gerade ein sehr schönes Schiff, das flussauf fährt. Schade, dass ich nicht allein auf dem Platz bin. Die Wellen des großen Personenschiffes beuteln gerade mein Boot herum. Es nimmt es gelassen. Das ist eine gute Probe für das, was eventuell noch kommen kann. Ich schicke zwei sms nach Hause.
19.6. (Dienstag)
Diese Nacht hörte ich die seltsamsten (lauten) Tiergeräusche. Frösche? Vögel? Knack-, Schnatter-, Quak-, Quietschgeräusche. Heute bin ich 34 km gefahren. Von Stromkilometer 1093 bis 1059 = 34 km. Gesamt: 894 km.
Bin in Veliko Gradiste. Hier gibt es kaum eine Strömung. Das dürfte durch das Kraftwerk Djerdap I verursacht sein. Die Donau ist hier sehr breit. Mein Plan für morgen ist Dobra.
Hier gibt es ein Restaurant, in dem ich mich rasiert und das Handy aufgeladen habe. Mein Platz ist wie immer sehr sonnig. In Ram habe ich einen Deutschen aus Erlangen kennen gelernt, der von Budapest die Donau runter radelt. Wir haben uns ein bisschen ausgetauscht über unsere Eindrücke. Er sagt, die Autofahrer wären sehr rücksichtslos. Statt zu bremsen wird gehupt. Relativ nahe bei meinem Zelt ist ein Tennisplatz mit Flutlichtanlage. Ich hoffe, es wird in der Nacht nicht zu laut heute. Der Bootsanlegeplatz ist dick mit einem breiten Algenteppich überzogen. Frösche quaken. Habe in Ram ein bisschen eingekauft, weil ich Abwechslung beim Essen brauche. Um 20.10 Uhr telefoniere ich mit meiner Frau. Sie hat gerade zwei Freundinnen auf Besuch. Ich bin in guter Stimmung.
20.6. (Mittwoch)
16.45: Ich bin erschöpft und brauche was zu essen. Mit viel Mühe habe ich gerade in der Hitze ein Restaurant gesucht und gefunden. Der Besitzer spricht Englisch.
Heute um 6.00 Uhr Früh habe ich durch den Algenteppich die Donau gesucht. Dann folgte eine kurze Einkaufspause in Vinci. Sehr sauberer und ansprechender Ort. Zwar gibt es auch hier einen riesigen Algenteppich bei der Zufahrt, aber eine schöne Anlegemöglichkeit und nette Geschäfte und Lokale gleich vor Ort. Ich kaufe meine zwei Bananen, meinen Saft und mein Wasser, dann geht’s weiter über einen Riesenstausee, wo überall noch abgestorbene Baumwipfel aus dem Wasser ragen, was nicht ganz ungefährlich für mein Stoffboot ist. Ich bin jetzt bei Stromkilometer 1047. Gott sei Dank kein Wind, während ich in der Ferne Golubac vorbeiziehen sehe bzw. selber vorbeiziehe. Zunächst fahre ich bis zur Ruine Jerinin Grad. Dort mache ich eine kurze Pause und führe ein Gespräch mit einem Angler, der gut Deutsch spricht. Durch die folgende Enge bei Stromkilometer 1038 gelange ich müde nach Dobra. Dobra wirkt sehr heruntergekommen. Ein kleiner Bach mündet hier. Zeltplatzsuche. Eine Kuhhirtin mit ausschließlich schwarzen Zahnstümpfen macht deutlich, dass sie hier nicht zelten würde, wegen der Schlangen. Außerdem sind hier äußerst lästige Bienen. Fünf bis sechs machen sich an meiner Wade zu schaffen. Ich suche zu Fuß einen Alternativplatz und finde ihn bei einer guten Anlegestelle. Ich gehe zurück um mein Boot zu holen, fahre am Wasser zu meinem "Hafen" und baue mein Zelt auf. Dann mache ich mich auf eine Hitzemarsch-Suche nach einem Restaurant, in dem ich den Nachmittag verdösen kann.
Meine heutige "Leistung": Stromkilometer 1059 bis 1021 = 38 km. Gesamt: 887 km.
Leider ist alles so dreckig hier. Es ist sauheiß und ich bin sehr müde, aber trotzdem gut drauf. Auch deswegen, weil es gestern mit dem Telefongespräch zu Gertrude geklappt hat. Gut zu wissen, dass zu Hause alles in Ordnung ist, und gut, Gertrudes Stimme gehört zu haben.
Was mir noch im Kopf herumgeht: Wie weit soll ich nach meinem vorgenommenen Ziel, dem Eisernen Tor weiter fahren? Ich glaube, ich werde in Kladovo nach Djerdap I eine Überlegungsstunde einlegen. Auf der einen Seite will ich mich nicht überfordern oder etwas durchziehen, ohne dass es mich wirklich freut, auf der anderen Seite zieht mich das Schwarze Meer schon irgendwie an. Soll ich es auch über den Kanal nach Constanța probieren?
21.6. (Donnerstag)
Start um 6.00 Uhr. Leider schon nach 15 Minuten Pause, weil ein enorm starker Gegenwind bläst. Ich habe tapfer dagegen angekämpft, aber es sind sehr hohe Wellen und ich komme kaum voran. Ich entschließe mich, hier auf einem nicht besonders schönen Platz mal abzuwarten. Hier sind etwas faulige Algen am Rand abgelagert, aber was soll’s. Man wird bescheiden.
Das scheint heute ein Test in Wartefähigkeit zu werden. Habe gerade das Morgenjournal von Ö1 auf Kurzwelle gehört und richte mich auf ein paar Stunden Warten ein. Ein Fahrtversuch bei diesem Wind ist sinnlos und auch nicht ganz ungefährlich. In Serbien hat man mir gesagt: Wenn du Schafe (weiße Gischtkämme) auf der Donau siehst, bleib draußen.
10.10 Uhr: Ich bin ein sehr schlechter Warter. Draußen kräuseln sich immer noch die Wellen. Trotzdem muss ich zugeben, dass es schlimmere Dinge gibt, als im Schatten zu liegen und nichts zu tun. Das Problem ist nur die Zeitperspektive. Wenn ich bloß wüsste, wie lange der Wind in dieser Stärke anhält? Mal Mittag abwarten. Diese Situation zwingt mich jedenfalls zu einem bisher vermiedenen echten Ruhetag.
Das mit dem im Schatten liegen stimmt, ist aber nicht gut in einem Ameisenhaufen. Ich übersiedle ein paar Meter.
Im Lauf des Tages muss ich wegen des Laufs der Sonne noch öfter übersiedeln. Ich höre Ö1 auf Kurzwelle. Ich merke, dass es mich psychisch belastet, den Verlauf nicht in meiner Hand zu haben. Gegen den Wind kann ich nicht an. Aber ich weiß, dass ich das Eiserne Tor sehen werde und wenn ich Tage warten muss! Vielleicht ist das schon der gefürchtete "Koschawa" beim Eisernen Tor, vor dem ich schon daheim Respekt aufgebaut habe :-) Gewaltige Leistung heute: Stromkilometer 1021 bis 1019 = 2 km. Gesamt: 889 km.
Ein SMS an Gertrude geschickt, dass ich wegen Windes 70 km vor dem Eisernen Tor festhänge. Das sms deckt meinen Wunsch nach Kommunikation ein bisschen ab. Um 17.00 Uhr entdecke ich, dass in meinem Lebensmittelsack Zucker ausgeronnen ist. Der Zucker hat eine ziemliche Schweinerei angerichtet und die Reinigung dauert ihre Zeit. Hoffentlich passt’s mit dem Wind morgen. Ich habe das Gefühl, erst wenn ich das Eiserne Tor geschafft habe, dann habe ich mein Ziel dieser Reise wirklich erreicht. Was dann kommt, ist Draufgabe. Mein Boot liegt jetzt im Trockenen. Der Wassertand ist durch Djerdap I sehr unterschiedlich.
22.6. (Freitag)
Der Wind ist schwächer geworen. Ich schaffe es von Stromkilometer 1019 bis 990 = 29 km. Gesamt 918 km. Mein Stopp ist Donji Milanovac, ein recht sauberes Städtchen. Man darf aber hier nicht campen. Bei der Touristinfo mit zwei sehr freundlichen und hilfsbereiten Damen, die ausgezeichnet Englisch sprechen, werde ich zur Polizei vermittelt. Dort erfahre ich, dass ich mich laut meinen Einreisepapieren zum Zwischencheck eigentlich in Veliko Gradiste melden hätte müssen. Mit dem Kajak schickt man mich aber nicht zurück. Ich muss mich bloß im letzten serbischen Ort vor Bulgarien zum Checkout melden. Meine beiden Damen organisieren das alles telefonisch und entschuldigen sich für die Unannehmlichkeiten. Sie vermitteln mir ein Privatzimmer, das 640 Dinar kostet. Das Boot muss ich in den offiziellen Hafen bringen. Scheint ein gut organisiertes Städtchen zu sein. Ich nehme meine erste richtige Dusche seit einer Ewigkeit und genehmige mir auch wieder mal eine Rasur.
Heute bin ich bereits um fünf Uhr Früh abgefahren – nur weil ich Stress hatte, dass der Wind wieder früh einsetzen könnte. Nach ein paar Kilometern grüßt mich ein Fischern in einem Boot auf Deutsch und fragt aus welcher Stadt ich komme. Er kennt Linz. Auf dem Weg grüßen mich noch ein paar Fischer in Booten freundlich. Ich bin jetzt schon im Gebiet des Eisernen Tores. Zwischen km 1010 und 1005 weht ein sehr starker Gegenwind und baut große Wellen auf. Gott sei Dank habe ich durch den gestrigen Ruhetag die Kraft, da durchzukommen. Am Rand gibt es wegen Steilwänden keinerlei Anlegemöglichkeit. Nach Stromkilometer 1000 lässt der Wind schließlich nach. Die breite Donau lässt den Weg endlos erscheinen. Es ist sehr heiß. Die prominenteste Stelle des Eisernen Tores ist zwischen Stromkilometer 975 und 965 (Kleiner und Großer Kessel). Dieses Gebiet wäre dann morgen dran.
Auf 1004,5 war Lepenski Vir. 10.000 Jahre alte Kultur. Ausgrabungen.
An meinen beiden Daumen schälen sich schon Blasen ab. Ich habe aber kaum Schmerzen, weil ich mit Fahrradhandschuhen paddle, die meine Hände doch einigermaßen schonen.
In einem Buffet werden mir Cevapcici angeboten. Rechnung für zwei Bier und ein Cola und die Cevapcici: 800 Dinar! Ich verlange Aufschlüsselung. Plötzlich sind es nur mehr 600 Dinar. Ich gebe dem Kellner 620. Natürlich werde ich noch immer übers Ohr gehauen, aber es soll einen erzieherischen Effekt haben … :-)
In der ersten Engstelle mit tobendem Wasser habe ich heute ein deutsches Passagierschiff gesehen, das in meine Richtung gefahren ist. Werde ich auch mal ein österreichisches Schiff sehen? Während ich mein Handy auflade, schicke ich ein paar sms nach Hause.
23.6. (Samstag)
Heute 5.30 Uhr Aufbruch. Anfangs dunkle Wolken, Nebel und Wind. Es wird besser, als die Sonne durchkommt. Zuerst ist die Donau mehr als 10 km lang noch sehr breit. Dann kommt eine erste Enge. Ich treffe viele freundliche Fischer. Einen sehe ich sogar einen beachtlichen Wels aus dem Wasser ziehen. Passagierschiffe ziehen vorbei. In der Engstelle gibt es starken Gegenwind. Dann kommen etwa 10 km lang beeindruckend hohe Felsen. Die frühere Schlüsselstelle des Eisernen Tores liegt vor Kladovo. Da ist die Donau früher mit hoher Geschwindigkeit durchgeschossen. Treidellokomotiven haben die Schiffe stromaufwärts durchgezogen. Heute liegt diese Stelle 50 Meter unter Wasser. Angenehme Rast auf einer Wiese bei 967,5 (Großer Kessel).
Bin um 14.00 Uhr bei Gegenwind und Wellengang in Tekija gelandet. Mein Zelt steht am Strand. Stromkilometer 990 bis 956 = 34 km. Gesamt 952 km.
Ich hatte heute bei der Durchfahrt der Engen und dem Blick auf die hohen Felsen ein richtiges Hochgefühl. In Kladovo hab ich praktisch mein Ziel erreicht. Es war schon ein richtiges Abenteuer. Bin stolz auf mich. Morgen werde ich die Doppelschleuse von Djerdap I erleben und dann Kladovo. Wenn’s mir dort gefällt, mache ich einen Tag Pause. Hab ich mir verdient :-)
17.30 Uhr: Sitze hungrig im Restaurant nahe Strand und Zelt. Die Speisekarte ist nur serbisch und es gibt nur einen Bruchteil von dem, was auf ihr steht. Bin gespannt, was das sein wird, was ich bestellt habe.
20.00 Uhr: Ich muss das Boot immer weiter ans Ufer ziehen, weil der Djerdap-Wasserstand sich immer verändert. Momentan ist eine richtige Brandung am Ufer, obwohl hier keine großen Schiffe draußen sind, die Wellen machen. Ich hoffe, dass der Wind morgen erträglich ist. Ich glaube, es sind an die 15 km bis zur Schleuse.
24.6. (Sonntag)
Heute: Stromkilometer 956 – 933 = 23 km. Gesamt: 975 km.
Um 5.30 Uhr bin ich losgefahren. Die letzten sieben Kilometer vor Djerdap gab es sehr hohe Wellen. Der Wind kam Gott sei Dank von seitlich hinten. Das Kraftwerk ist beeindruckend. Auf dem Weg wieder viele freundlich grüßende Fischer in ihren Booten. In der letzten Nacht habe ich das Strandklosett besucht. Es ist ein dreieckiges Loch im Beton. Nicht unpraktisch. Drei Kilometer vor dem Kraftwerk suche ich mir noch mal einen Platz zum Pinkeln und Anziehen der Schwimmweste für die Schleuse. Aus der Ferne ist für mich beim Kraftwerk nicht sichtbar, wo die Schleuse überhaupt ist und außerdem kämpfe ich mit hohen und unberechenbaren Wellen. Schließlich überholt mich das slowakisches Schiff „Jevenau“, ein neues, sehr schönes, hochseetaugliches Schiff, das die Schleuse langsam ansteuert. Ich schließe mich an, was mir nicht schwerfällt, weil die Jevenau sich wegen des starken Seitenwindes nur langsam an die Schleuse annähert. Sehr aufregend, wenn man nicht weiß, wie man sich in einer serbischen Schleuse genau verhält. Ich fahre in die Schleuse ein und höre über Lautsprechern plötzlich ein Kommando: „Kajak bla bla bla“. Ein Slowake vom Schiff übersetzt: „Nach vorne fahren“. Ich fahre bis zu einer Leiter zum Anhalten und Hinunterhangeln. Dann folgen 1 ½ Stunden Schleusenzeit. Da ich links liege, schaue ich beim Öffnen der Tore rasch nach rechts – vor den großen Schiffen – wegzukommen. Djerdap ist übrigens eine Doppelschleuse. Nach der halben Absenkung fährt man in eine neue Kammer und wird dann weiter abgesenkt.
Schließlich habe ich Kladovo erreicht. Mein erster Versuch in den Yachthafen einzufahren scheitert. Ich bleibe im Algenteppich stecken. Ein junger Tauchklub-Mann will mir ein Zimmer suchen helfen. Leider wird nichts daraus. Ich frage im Hotel nach. 28 Euro pro Nacht. Schwierig gestaltet sich die Suche nach einem Platz für mein Boot, das ich am Strand mit Hilfe zweier Buben aus dem Wasser hole und auf meinen Bootswagen stelle. Mühsamer Ausstieg auf Sand. Das Boot wird schließlich nach einer Verhandlung durch den Hotelrezeptionisten auf der Landungsbrücke eines Touristenschiffes von Kladovo untergebracht. Ich bleibe zwei Tage bzw. Nächte hier. Morgen ist mein erster richtiger freiwilliger Rasttag! Werde Karten schreiben und so. Der Hotelstandard ist „na ja“.
Abends war ich in Kladovo essen. Trotz umfangreicher Speisekarte gibt es wieder nur ein paar Gerichte. Essen besteht hier fast immer aus gegrillten Fleischstücken mit rohen Zwiebeln und Tomatensalat. Hat gut geschmeckt. Auch das Bier. Interessant: Niemand weiß, wo es Ansichtskarten zu kaufen gibt. Wurden die hier noch nicht erfunden?
25.6. (Montag)
Heute : 933 bis 933 = 0 km. Gesamt: 975 km
Habe bis 6.00 Uhr geschlafen, dann Bad und Rasur genossen. Kräftig gefrühstückt. Tee war leider schon vorgezuckert. Das Hotelpersonal erwies sich als durchwegs unfreundlich. Alle rauchen. Ich sehe von meinem Fenster aus Djerdap I und mache gleich ein Foto. Werde heute ganz faul sein und richtig ausspannen..
Gestern beim Essen traf ich einen eleganten alten Herrn: Spazierstock mit rundem Knopf, heller Anzug, schwarze Fliege, Strohhut, gepflegtes Oberlippenbärtchen. Wie in den 20-er-Jahren. Es gibt eine schöne Hauptstraße (Fußgängerzone) voller Restaurants.
Gestern hatte ich noch regen sms-Verkehr mit meiner Frau. Zu Hause ist alles okay. Den Vormittag verbringe ich damit, Ansichtskaten zu suchen. Sehr schwierig! In einem winzigen Geschäft werde ich schließlich fündig. Die Auswahl an Karten ist begrenzt, aber es gibt welche! Bei der Post gibt’s dann keine Marken, aber wenn ich die Gebühr bezahle, werden die Karten weitergeleitet.
Auffallend ist, in Kladovo gibt es Papierkörbe. Es liegt auch nicht überall Mist herum, wie in den Orten die ich bisher gesehen habe. Ich sehe zahlreiche Wechselstuben.
Am Nahmittag war ich bei der Post. Sehr kompliziert. Viele Angestellte füllen emsig eine große Anzahl von Formularen aus. Lange Wartezeit. Meine acht Ansichtskarten nach Österreich kosten 350 Dinar. Dafür kriegt man hier schon ein Mittagessen. Ich muss zum Aufgeben der Karten 30 Minuten warten. Dann habe ich in die Kirche reingeschaut (Serbisch Orthodox). Das Kirchengebäude wirkt auf mich von außen etwas verwahrlost. Ich frage eine Dame in einem Devotionalienkäfig ob ich fotografieren darf und werde wegen kurzer Hosen hinauskomplimentiert.
Zurück zur Dusche ins Hotel. Es hat sicher mehr als 35 Grad Celsius. Ich gehe früh zu Bett. Will morgen 50 km machen, evtl. bei Gegenwind und jedenfalls ohne Strömung.
26.6. (Dienstag)
Habe heute die vorgenommenen 50 km nicht geschafft. Stromkilometer 933 bis 884 = 49 km. Gesamt: 1024 km
Heute habe ich also 1.000 Reisekilometer am Wasser überschritten. Ganz schön weit.
Heute um 6.00 Uhr bin ich abgefahren. Zuerst musste ich das Boot von der Abstellstelle zum Strand schleppen, packen und einsetzen, bevor es richtig losgehen konnte. Bin bei einem Dorf vorbeigekommen, ich glaube es war Ljubicevac oder Velesnica, bei dem das gesamte Dorfufer als Müllkippe verwendet wird. Schaut schauderhaft aus. Es hat den ganzen Tag über wieder mehr als 35 °C gehabt. Windstille, bis auf die letzte halbe Stunde, wo so ein Gegenwind war, dass ich fast nicht ans Ufer gekommen wäre. Allerdings keine großen Wellen. Einen Zeltplatz finde ich in Prza Palanka am Strand. Zunächst steht ein Einkauf von Brot und Getränken auf dem Programm und ein paar Dosen als Vorrat. Es war ein sehr ruhiger Tag, allerdings hatte ich neun Stunden zu paddeln, mit insgesamt höchstens einer Stunde Pause. Bei acht Stunden Paddeln kommen damit etwas über sechs Stundenkilometer zusammen, im Tagesschnitt. War schon eine ziemliche Schinderei.
Abends sitze ich im Restaurant: Zwei Spießchen, wieder mit rohen Zwiebeln. Anschließend Bier mit einem Nachbarn in einem Wohnwagen, der mich am Nachmittag angesprochen hatte. Er lebt in Deutschland, ist Serbe und es zieht ihn immer noch stark nach Serbien, obwohl er in Deutschland verankert ist.
Das Wetter ist unsicher.

27.6. (Mittwoch)
In der Früh weckt mich ein Gewitter. In einer Regenpause besuche ich das 200 Meter entfernte Klosett am Strand. Alles ist vollgeschissen. Momentan liege ich im Zelt. Es ist 5.30 Uhr und draußen donnert und regnet es. Ich warte jedenfalls ab, bis sich das Gewitter verzogen hat. Heute steht Djerdap II auf dem Programm.
Abfahrt ist schließlich um 7.45 Uhr. Ich komme gegen 11.30 Uhr bei Djerdap II an. Überraschungen: a) Vor dem Kraftwerk gibt es einen sehr schönen Schotterstrand vor einer Feriensiedlung und b) Schleusungen sind wegen Manöver Serbien/Bulgarien/Rumänien in Anwesenheit dreier Präsidenten, gesperrt. Wartezeit bis 17.00 Uhr. Ich treffe ein nettes Paar um die 50/55, die mir das Problem erklären. Außerdem ist die serbische Schleuse nicht benutzbar. Ich muss die rumänische nehmen. Habe in einer Bude Cevapcici gegessen und ein Bier getrunken. Ich liege jetzt am Strand. Dauernd fliegen Hubschrauber hin und her. Schönes Wetter und Wind. Ich genieße das Leben so wie es kommt.
Um 15.00 Uhr sagen mir meine Freunde, dass das Manöver zu Ende ist. Ich spurte mit meinem Boot los und überquere den Fluss, weil die serbische Schleuse ja repariert wird. Bei der Schleuseneinfahrt steht das Einfahrtszeichen auf rot. Ich fahre eine Dreiviertelstunde auf und ab und das bei sehr großen Wellen. Dann verankere ich mein Boot eine Viertelstunde an einem Strauch am rumänischen Ufer. Schließlich fahre ich raus und verstecke mein Boot hinter Büschen. Eigentlich darf ich in Rumänien nicht anlegen. Beim Warten entdecke ich eine Wasserschlange, 15 cm lang, weiß und ähnlich schreckhaft wie ich. Wir zucken beide zurück, als wir einander bemerken. Als ich mich um 17.30 Uhr entschließe, wieder zurück zum Strand zu fahren und abzuwarten, kommen drei Kriegsschiffe aus der Schleuse. Kurze Zeit später ist das Einfahrtssignal grün!
Unten angekommen, muss ich mühsam wieder auf die serbische Seite zurück. Es ist schon 19.30 Uhr und es wird langsam dunkel. Wind kommt auf und ein Gewitter naht. Ich baue im Wind mein Zelt auf. Ein Desaster. Der Wind weht so stark, dass ich die Plane nicht befestigen kann. Ein Fischer hilft mir schließlich und gibt mir Tipps. Dann lädt er mich auf ein Bier ein. Er hat einen missmutigen Fischerkollegen. Mein Freund und ich plaudern ein bisschen und um 21.00 Uhr verabschiede ich mich ins Zelt. Mein Boot haben wir zu zweit noch weiter herausgezogen, weil die Wasserhöhe steigt. Hier fließt die Donau übrigens wieder ein bisschen.
Stromkilometer 884 – 863 = 21 mühsame km und lange Wartezeiten. Gesamt: 1045 km.
Im Moment (21.30 Uhr) regnet und gewittert es. Schön, im trockenen Zelt zu sein!

28.6. (Donnerstag)
Ich bin in Bulgarien. Die Uhr habe ich um eine Stunde vorgedreht. Bulgarien hat mich riesig nett empfangen. Ich habe heute die nettesten Beamten der Welt kennen gelernt. Die Fahrt, obwohl nur kurz, war für mich heute einigermaßen anstrengend. Es gab heftigen Wind, zwar von hinten, aber mit sehr hohen Wellen. Zuerst musste ich in Prza Balanka Ausreiseformalitäten bei der serbischen Grenzpolizei und beim serbischen Zoll erledigen . Zollgebäude und Ponton waren vom Fluss aus gut erkennbar. Junge Beamte, sehr locker, begrüßen und verabschieden mich mit Handschlag. Sie wundern sich, dass man mit so einer Nussschale so weit reisen kann. Alles verläuft kurz und problemlos. Dann geht die Fahrt am Grenzfluss vorbei nach Novo Selo. Dort liegt ein Zollboot am Ufer. Kein Mensch ist da. Ein Bub führt mich zum Polizeigebäude, da kommt uns schon ein Polizeiauto entgegen. Der Grenzpolizist ist zunächst mit dieser ungewöhnlichen Aufgabe beinahe überfordert. Er spricht rudimentäres Englisch und sagt immer wieder: „No Problem“. Mehrmals telefoniert mit seinem Boss in Vidin. Eigentlich müsste ich für eine legale Einreise beim Zoll in Vidin vorsprechen, weil dort die Einreisestelle für Fahrten auf der Donau ist. Mein Beamter und sein Boss in Vidin schnapsen aber eine andere Lösung aus. Eine Kopie meines Passes mit serbischen Stempeln wird nach Vidin gefaxt und der Boss kommt am Abend persönlich her, um mich zu sehen. Man organisiert am Ufer auch einen Zeltplatz für mich und gibt Tipps für Geldumtausch. "Grundsätzlich nur bei Bank". Einer geht sogar mit mir zum Geschäft, Lebensmittel einkaufen! Andere Beamte teilen mir mit, dass ich mich bei ihnen in der Dienststelle waschen und rasieren kann. Alle sagen, wenn ich Fragen habe, kann ich mich jederzeit an sie wenden.
Tagesleistung heute: 863 – 834 = 29 km. Gesamt: 1074 km.
In Ungarn hat man mich vor den Serben gewarnt, in Serbien vor den Bulgaren und den Rumänen. Man muss sich wirklich selber Erfahrungen verschaffen, wenn man Vorurteile loswerden möchte.
Außergewöhnliche Paddeltage: Gestern Schleuse und Manöver, heute zwei Grenzabfertigungen und dazwischen „stürmische See“. Die Gegend schaut hier wieder ziemlich flach aus.
16.30 Uhr (bulgarische Zeit). Soeben habe ich mir am Klo der Grenzpolizei die Haare gewaschen und mich rasiert. Der Rest des Tages wird friedlicher Nachmittagsverdösung gewidmet. Ich unterhalte mich ein bisschen mit einem Polizisten der an der Donau mit Feldstecher und Protokollbuch über den Schiffsverkehr wacht.
Mein Zeltplatz ist übrigens direkt am Strand neben dem Zollboot. Leider liegen überall viele Glasscherben herum. Ich habe beim Aufstellen meines Zeltes zwei Hände voll davon weggeräumt, um zumindest eine sichere Zeltfläche zu haben. Das Wetter ist gut, die Schwalben fliegen hoch.
29.6. (Freitag)
Abfahrt 6.00 Uhr. Ideales Wetter. Manchmal leichter Wind. Schöne Landschaft mit Vögel-Nistlöchern in einem Löß-Abbruch. Ich nehme an, es handelt sich um Bienenfresser. Sechs Stunden später komme ich in Vidin an, aber der Strand schaut nicht so aus, wie die Grenzpolizisten ihn mir beschrieben haben. Ich fahre am Strand vorbei, weil ich die Stelle suche, die mir als guter Zeltplatz geschildert wurde. Dann fällt mir auf, dass Vidin bereits hinter mir liegt. Also heißt es gegen den Strom zurück. Das kostet mich viel Kraft und eine halbe Stunde Zeit. Kurz vor dem Ziel grüßt mich eine junge Frau vom Ufer aus und ich frage sie wegen Campingmöglichkeiten am Strand. Sie rät eher ab, weil sie glaubt, dass das verboten wäre und außerdem zu unsicher. Nach einigem Überlegen und Erörtern des Problems sagt sie, sie wird jetzt ihren Hund heimbringen und dann an den Strand kommen um zu überlegen, was man tun könnte.
Ich sitze jetzt im Schatten und warte auf sie. Es ist 14.00 Uhr. Vielleicht findet sich eine Lösung. Wenn nicht, werde ich südlich von Vidin eine Nacht verbringen und morgen weiterfahren. Es ist gemütlich hier im Schatten unter dem Baum.
Die Frau kommt zurück. Wir stellen uns vor. Sie heißt Katia und hat Englisch studiert. Zelten ist hier nicht erlaubt. Katia weiß ein günstiges Hotel in der Nähe. Ich schleppe mein Boot zusammen mit dem Beach-Guard über eine lange Rampe zuerst auf Straßenniveau und dann zum Hotel, wo es in einen Raum im Erdgeschoß gesperrt wird. Abends lade ich Katia zum Abendessen in ein Restaurant ein, zu dem wir mit einem Taxi über unzählige Schlaglöcher kommen. Taxis sind hier für unsere Verhältnisse außerordentlich billig. Ich kriege von Katia eine Menge Informationen über Bulgarien und wir führen Gespräche über kulturelle Unterschiede Österreich/Bulgarien. Morgen möchte sie mir ein nationales Highlight zeigen: Höhlenmalereien.
Heute gefahren: Stromkilometer 834 – 791 = 43 + 1 = 44 km. Gesamt: 1118 km
30.6. (Samstag)
Rasttag.
Stromkilometer 701 – 791 = 0 km. Gesamt 1118 km.
Ich treffe mich um 10.00 Uhr mit Katia, dann fahren wir mit einem ihrer Freunde, der Taxi fährt, zu den Höhlen. Gestern bin ich um 2.00 Uhr ins Bett und heute leider viel zu früh aufgewacht (7.00 Uhr). Wahrscheinlich sind meine üblichen frühen Startzeiten die Ursache. Wir besuchen Baba Vida und den Belogradchik-Felsen sowie die Maura-Grotte. Der Freund von Katia, Taxifahrer und Geologe, war schon in Österreich, spricht aber kein Deutsch und ist witzig. Er fährt wie ein Kamikaze zu den sehr beeindruckenden „Landmarks“.
Katia erkundigt sich für mich auch über meine Rückfahrtsmöglichkeiten mit dem Zug. Sie findet heraus, dass es einen täglichen Direktzug von Sofia nach Wien gibt, der Sofia um 13.30 Uhr verlässt und am nächsten Morgen um 9.00 Uhr morgens in Wien ankommt. Klingt ideal für mich.
Katias Taxifahrer-Freund bietet abends telefonisch noch ein weiteres Ziel an, wenn ich noch einen Tag bleibe. Ein orthodoxes Kloster. Nach kurzer Überlegung entschließe ich mich dazu, da ich ja kein Zeitlimit habe.
1.7. (Sonntag)
791 – 791 = 0 km. Gesamt 1118 km.
Zweiter Rasttag mit Ausflug zu orthodoxem Kloster mit Katia und ihrem Taxler-Freund. Mittags gibt es gutes, echt bulgarisches Mittagessen. Das Kloster heißt St. Syril und Methodius. Anschließend besuchen wir einen etwas heruntergekommenen Badeort. Der Ort heißt Varshets. Heute steht noch ein weiteres Abendessen mit Katia auf dem Programm. Ich freue mich schon wieder auf die Donau. Hotelaufenthalte verweichlichen :-) In Varshets habe ich Tafeln gesehen, dass verschiedene Projekte mit EU-Förderung gemacht werden.
Auf den Straßen gibt es irrsinnig viele und tiefe Schlaglöcher. Autofahrer fahren auch auf Landstraßen deswegen in Schlangenlinien um den Löchern auszuweichen. Der Fahrstil unseres Taxlers ist sicher, aber ziemlich schnell.
Am Nachmittag schicke ich meiner Mutter ein sms, weil sie heute Geburtstag hat. Katia und der Taxler erzählen, dass Korruption in Bulgarien noch ein sehr großes Problem ist. Z. B. bei medizinischer Versorgung muss man den Ärzten, die 500 Lew verdienen, unter der Hand ziemlich viel zahlen, um versorgt zu werden.
Durch meine Freunde hier kriege ich viel vom Land mit. Bin echt froh, Katia getroffen zu haben. Sie hat mir heute aus dem Kloster eine Flasche heiliges Wasser geschenkt, für alle Fälle auf meiner Reise. Hat mich echt gefreut.
2.7. (Montag)
Ich bin um 7.00 Uhr aufgestanden. Noch mal Dusche und Rasur genossen – wer weiß, wann sich die nächste Gelegenheit bietet. Um 8.30 Uhr hole ich das Boot aus dem verschlossenen Raum und muss es dann auf Rädern zum Strand schleppen. Es sind immerhin ein paar hundert Meter. Katia hat gestern gesagt, dass sie sich noch verabschieden kommt. Dann geht’s weiter. Ich hoffe, dass ich bis 11.00 Uhr wegkomme. Das Wetter schaut gut aus. Gestern Abend war ein ganz roter Mond, was immer das bedeuten mag, wettermäßig. Da ich hier gerade am Hotelparkplatz sitze und meine Unterlagen irgendwo tief im Boot verstaut habe, weiß ich nicht mal, was ich heute ansteuere. Ich glaube Lom.
9.00 Uhr: Katia hilft mir das Boot zum Strand zu bringen und die steile Rampe zu überwinden. Um 9.45 Uhr fahre ich dann ab.
Heute spüre ich irgendwie den ganzen Tag große Müdigkeit. Stromkilometer 791 bis 794 = 42 km. Gesamt: 1160 km.
Eigentlich wollte ich ja nach Lom, aber bis dahin sind es noch 6 km und außerdem weiß ich nicht, ob ich dort campen darf. Daher Entschluss, auf einem großen, freien Strand vor Lom zu übernachten. Ich darf aber nicht vergessen, demnächst leckere Sachen einzukaufen, weil mir die Dosen schon auf den Geist gehen. Ich bin bereits Restaurants gewöhnt :-) Ich gehe heute früh ins Bett und hoffe, so morgen mehr Energie zu haben. Heute viele Inseln und kaum Strömung. Was ich heute an Kilometern eingespart habe, möchte ich morgen einholen. Ziel: Kozloduy. Das wären dann 46 km morgen.
3.7. (Dienstag)
Abfahrt um 7.00 Uhr. In der Nacht hat irgendein Tier ganz fürchterlichen Lärm gemacht. Könnte ein Vogel gewesen sein, ich tippe aber auf eine Froschart.
8.00 Uhr: Einkaufen in Lom. Arbeiter, die Baumstämme aus der Donau fischen, weisen mir den Weg. 8.30 Uhr Weiterfahrt. Jetzt, um 10.30 Uhr, sitze ich am Ufer und mache eine kleine Pause.
Als ich um 12.00 Uhr eine weitere Kurzpause machen will (am Hang steht ein Bus, und etwas das ausschaut wie ein Restaurant, auch ein Tisch mit Leuten daran) lande ich irrtümlich in einem Roma/Sinti Camp. Eine etwa 30-jährige Frau, die etwas geistig behindert ausschaut, bespricht Unverständliches mit mir. Dann kommen zwei Buben, ca. 8 und 12 Jahre alt. Der ältere hebt mehrfach die Schultern und schaut böse: Was willst du hier? Ich ziehe mich ins Boot zurück und paddle langsam weg. Der ältere Bub hebt einen Stein auf und tut so, als ob er ihn gegen mich werfen würde. Er lacht aber dann nur. Bin in ihr Revier eingedrungen.
Ein paar erwachsene Männer fischen um die Ecke herum, ohne sich um die Sache zu kümmern.
Ich fahre dann weiter und komme um 15.00 Uhr in Kozlodui an. Der Dampfer „Radetzky“ ist am Ufer festgemacht. Es ist ein Museum zum Gedenken an den bulgarischen Dichter und Freiheitskämpfer Christo Botev.
Heute: Stromkilometer 749 bis 703 = 46 km. Gesamt: 1206 km.
Ich esse im Restaurant. Haare und Hemd habe ich in der sehr sauberen Herrentoilette gewaschen. Standard der Toilette: Gehobenes Österreichisches Restaurant. Leider ist kein Supermarkt in der Nähe. Abends treffe ich im Restaurant zwei Holländer, ein Ehepaar. Die beiden sind von Holland über Rumänien ans Schwarze Meer gefahren und nun auf dem Weg zurück – über Venedig. Sie machen so an die 100 km täglich. Sie erzählen mir, dass vorher ein Münchner an ihrem Tisch war. Anschließend besichtige ich die Radetzky. Zwei Lev Eintritt. Ich glaube, das Museum ist ein Projekt mit EU-Förderung. Das Restaurant ist überaus professionell geführt. Am Strand sehe ich abends die üblichen Badegäste und Hundebesitzer. Und natürlich Fischer.
Um 20.00 Uhr, nach einem Bad in der Donau, betreibe ich Müllentsorgung beim Container nahe dem Restaurant, wozu ich 300 m Staubstraße hinter mich bringen muss. Um 20.45 Uhr, blicke ich in die abendliche Sonne. Alles friedlich am Strand. Junges Nachbarpaar bereitet gerade ein Lagerfeuer vor. Hinten im Wald steht ein Kleinzelt. Vielleicht ist das der bayrische Biker? Es steht aber kein Rad davor und niemand ist beim Zelt.
4.7. (Mittwoch)
Heute Früh, um 6.15 Uhr habe ich Werner kennen gelernt. Er ist der Radfahrer im kleinen Zelt. Zwar kein Bayer, wie die Holländer mir gesagt haben, aber ein Berliner :-) Er ist von Istanbul nach Hause unterwegs. Werner ist Jahrgang 48. Er macht Fotos von mir bei der Abfahrt mit dem Boot und wird sie mir mailen, wenn er im September zu Hause ankommt.
Sehr ruhiges Wasser heute. Ich komme rasch voran. Kurz vor dem Ziel noch ein Bad mit Haarwäsche. Ziemlich viele biologische Schwebstoffe im Wasser. Man könnte auch Dreck sagen. Mein Ziel Ostrov ist eine Enttäuschung. Das Dorf liegt 30 Minuten im Landesinneren. Kein Kaufladen in der Nähe. Ein etwas aufdringlicher Bursche um die 50 lotst mich in ein bierzeltartiges Restaurant. Ich trinke Bier und Cola und fahre dann wieder weiter bis Bajkal. Unterwegs grüßt mich eine deutsche Motoryacht heftig. Die Leute dürften meine österreichische Flagge gesehen haben. Ich nehme zwischendurch immer wieder ein Bad, weil große Hitze.
Bajkal ist auch eine Enttäuschung. Zuerst kommt eine sehr aufdringliche Gruppe Jugendlicher und drängt um das Boot. Die Verständigung ist sehr schwierig. Wir tauschen ein paar Brocken Englisch aus. Ich werde zum Zelten ein bisschen weiterfahren, genehmige mir aber im Restaurant einen Hühnerspieß und ein Bier, weil ich mich belohnen muss und mir was Gutes gönnen will. Das Restaurant ist etwas unkultiviert, aber der junge Kellner (Wirt?) kann mich bei der Speisekarte ein bisschen beraten. Bis jetzt bin ich heute 62 km gefahren. Mal sehen, wohin es mich heute noch verschlägt.
Es hat mich nur etwa 500 Meter stromab von Bajkal verschlagen. Ich finde einen verführerisch schönen einsamen Zeltplatz. Erfrischendes Bad und Donauwasserrasur. Bajkal wirkt auf mich wie ein österreichisches Dorf in den 50-er-Jahren.
Heute: Stromkilometer 703 bis 641 = 62 km. Gesamt: 1268 km. Im Moment sitze ich in einem Ameisenhaufen und höre das österreichische Abendjournal von Ö1 auf Kurzwelle.

5.7. (Donnerstag)
Seit ca. 5.00 Uhr weht ein Sturm. Ich hoffe, dass das Zelt hält. Es wird ordentlich gebeutelt, aber die Heringe dürften halten. An eine Weiterfahrt ist jetzt nicht zu denken. Es ist 7.00 Uhr. Ich werde einfach mal im Schlafsack abwarten.
8.00 Uhr: War gerade draußen. Es zieht zu und der Wind wird stärker. Es gibt heftige Böen. Habe Lebensmittel vom Boot ins Zelt geholt, Heringe kontrolliert, das Boot weiter an Land gezogen und die Persenning festgezurrt. Temperatur dürfte noch um die 20°C sein. Später klart der Himmel auf, aber der Wind bleibt stark.
Es ist Nachmittag geworden. Ich entschließe mich, einkaufen zu gehen. Bajkal ist ein Straßendorf mit einem weit entfernten Zentrum. Ich marschiere tapfer und frage öfters nach dem Supermarkt. Ich finde ihn schließlich, aber es gibt leider kein Brot. Dafür ergänze ich mein Flüssigkeitslager.
Um 17.00 Uhr herum kommt ein Mann auf mich zu und bedeutet mir, mitzukommen. Nach einem Marsch durch den Uferwald werde ich auf Kaffee und Abendessen eingeladen (kalte Fischsuppe, anschließend Gurken und salziger Schafkäse). Mein Gastgeber ist Fischer. Er fischt mit Netzen. Sein Vater, stolz auf seine sieben Schweine, Hühner etc. ist Kommunist. Er zeigt mir stolz ein Stalin-Portrait im Wohnzimmer. Ebenso die KP-Zeitung. Er vergleicht Bush mit Hitler und behauptet, dass seit die Amerikaner Serbien mit Flugzeugen, die über Bulgarien geflogen sind, angegriffen haben, wächst im Garten nichts mehr so richtig. Im Hühnergarten ist ein Kettenhund angebunden. Im Garten wachsen Wein, Paprika, Tomaten. Der Fischer lädt mich in sein Auto und holt Bier. Seine Garage ist mit einem riesigen Vorhängeschloss gesichert. Auf der Fahrt leuchtet die Reservelampe auf. Er holt seine Mutter im Ort ab. Die beäugt mich erst misstrauisch, ist dann aber freundlich und entgegenkommend. Sie packt mir zum Abschied noch fünf Gurken ein. Mir wird richtig warm ums Herz. Der Vater begleitet mich später noch zum Zelt und schaut sich das Boot an. Er nickt anerkennend, bevor er sich herzlich verabschiedet. Nachmittags liege ich im heißen Zelt und lese meine Reclam-Ausgabe von Adalbert Stifters „Brigitta“. Dann schicke ich ein sms an Katia, mit der Bitte mir die Wettervorhersage auf mein Handy zu texten. Ich kontrolliere dann noch, ob ich den Zettel mit der Adresse meiner freundlichen Gastgeber noch habe, denn ich möchte ihnen als Dank ein paar Fotos zuschicken.
Abends kommt ein sms von Katia: Die Wetterstation sagt wieder heftigen Wind voraus. Ich mache mich auf einen weiteren Tag Pause gefasst.
Stromkilometer 641 bis 641 = 0 km. Gesamt: 1268 km.
6.7. (Freitag)
In der Früh (6.00 Uhr), weht nur mäßiger Wind. Ich beschließe abzufahren. Es läuft sehr gut, weil Rückenwind. Abfahrt war um 7.15 Uhr. Um 10.45, ich bin ziemlich weit draußen, wird der Wind ganz plötzlich heftig. Große Wellen mit Schaumkronen beuteln mich durcheinander. Ich halte mich exakt in Windrichtung und peile das Ufer an. Es ist wegen der sehr hohen Wellen ein ziemlicher Kampf und es dauert lange, bis ich ankomme. Mein Boot liegt an einem sehr flachen Sandstrand. Ich suche mir ein Plätzchen bei einem Baum, um zu überlegen, was ich tun könnte. Es ist anzunehmen, dass der Wind den ganzen Tag bläst. Laut sms von Katia ist das auch für folgende Tage nicht auszuschließen. Eine Ortschaft ist ganz nahe. Vermutlich Somovit, bei Stromkilometer 607,5. Ich wäre dann heute 34 km gefahren. Werde mal zu Fuß in den Ort gehen. An Zeltaufbau ist bei dem Wind nicht zu denken.
Nach etwas mehr als einem Kilometer treffe ich einen alten Herrn, der anscheinend als Hafenportier arbeitet und auch dort wohnt. Er gehört zur türkischen Minderheit. Ich frage nach einem Restaurant. Er zeigt mir eines. Dann bedeutet er mir, er hätte gerne ein Foto von sich. Ich verspreche, ihm eins zuzuschicken. Das Restaurant ist geschlossen. Mein Freund erklärt dem Besitzer mein Anliegen. Eine sehr runde Frau kommt mit einem Ei in der Hand heraus und blickt mich fragend an, ob das passen würde. Ich bestelle drei Stück. Muss anschließend selbstgebrannten Schnaps trinken. Mein Freund führt mich anschließend zu einem Haus neben dem Restaurant. Offensichtlich ist es ein ehemaliger Kollege von ihm, mit Gattin. Ich werde mit Kuchen bewirtet. Das Ehepaar erzählt mir, sie hätten Kinder in Kanada. Ihre Tochter ist dort Medizinerin. Er war Kranführer im Hafen, ist jetzt 67 und in Pension. Ich mache ein Foto von der Familie in ihrer Wohnküche und verspreche, es ihnen zuzuschicken.
Boot und Zelt sind auf Stromkilometer 609. Es waren eineinhalb Kilometer in den Ort.
Stromkilometer 641 bis 609 = 32 km. Gesamt: 1290 km.
Der Wind wird immer stärker. Ich habe Glück gehabt, bis hierher gekommen zu sein. Habe mir gerade die von Katia übermittelte Wetter- und Windprognose angesehen. Auch für Samstag ist starker Wind angesagt. Ich werde hier vielleicht noch etwas bleiben müssen.
7.7. (Samstag)
Ich fahre trotz Windwarnung bei ganz glatter Donau um 7.00 Uhr ab, weil zwei Dörfer in der Nähe sind, die ich zur Not anlaufen kann: Chercowica und Nikopol. Ich nehme mir fest vor, in Nikopol zu bleiben und nicht weiter zu fahren, auch wenn die Donau ruhig ist, weil später sicher wieder starker Wind aufkommt.
Um 8.30 Uhr erreiche ich Nikopol. Steiniges Ufer. Ich baue mein Zelt auf. Ein Roma schnorrt mich um eine Zigarette an. Ich lehne etwas zu brüsk ab. Bin Nichtraucher. Bis Belene sind es jetzt noch 20 km, bis Svistov 47. Wenn das Wetter endlich mal passt, könnte ich Svistov erreichen. Dann habe ich noch 55 Kilometer bis Ruse, das ich zu meinem Ziel erkoren habe, weil ich von dort leicht nach Sofia zu kommen hoffe. Ich werde versuchen, es mir heute in Nikopol gut gehen zu lassen.
Ich finde zwei „Supermarkets“ und sogar eine Bank. Bar und Restaurant soll es auch geben. Ich trinke in der Bar ein Cola. Saubere Toilette, gut angezogene, modern anmutende Menschen. Ich brauche dringend wieder mal Rasur und Haarwäsche. Vielleicht lässt sich hier in einem Gasthaus was machen.
Heute: Stromkilometer 609 – 597 = 12 km. Gesamt: 1302 km. Sehr geringe Tagesleistung heute, aber gegen das Wetter kann man nichts machen. Vor ein paar Tagen habe ich ein sms von Markus erhalten, einem Bekannten, der zufällig zur selben Zeit mit einem selbstgebauten Boot mit Motor den Rhein-Main-Donaukanal rauffährt. Er friert gerade im Regen irgendwo in Deutschland.
In Nikopol gibt es angeblich einen Campingplatz. Ich bleibe aber bei meinem Plätzchen.
Der Außenreißverschluss beim Zelt ist kaputt gegangen. Immerhin gibt es noch zusätzliche Klettverschlüsse. Das ist schade, weil sich der Wind jetzt leichter in der Außenhaut des Zeltes verfangen kann. Er ist auch wieder stärker geworden.
Auf rumänischer Seite gibt es eine große Industrieanlage direkt an der Donau. Schaut hässlich aus. Der abnehmende Halbmond ist am Tageshimmel sichtbar. Ich mache einige Fotos vom Ort. Eine Hochzeits-Autokolonne fährt laut hupend durch die Hauptstraße. Der Ort ist zwischen einem Kalkabbruch und der Donau eingepflanzt. Ein Storch kämpft am Himmel gegen den Wind an und verliert. Ich sitze im Schatten unter einem Baum neben mehreren geteerten Booten mit einem Kiel, der mit Flacheisen verstärkt ist.
Ich kaufe Brot und Wasser im „Supermarkt“. Das Restaurant hat geschlossen. Ich gehe in meine Bar und kriege dort eine Art Schinken-Käse-Toast auf Brotstangerl.
Eine Familie sitzt auf dem Gehsteig und entschotet Bohnen. Es staubt ziemlich. Sie scheinen Spaß an der Sache zu haben. Ich frage um ihr Einverständnis und mache ein Foto, das ich ihnen zuzuschicken verspreche. Ich bekomme die Adresse in Kyrillisch, die ich später mühsam abmalen muss.
Bin am Nachmittag auf die römische Festung gestiegen, an deren Fuß der Ort liegt. Sie ist gut erhalten, aber in der Mitte steht ein großer Handymast. Der Denkmalschutz hat hier offensichtlich versagt.
Ich fülle Wasser an einem Trinkbrunnen nach. Zwei Roma-Buben nehmen Kontakt mit mir auf. Sie wirken auf mich aggressiv, weil sie keine Höflichkeitsformen oder Distanz einhalten.
Da das Restaurant noch immer zu ist, werde ich mir mein eigenes Abendessen aus den Gurken und dem Brot zusammenschustern. Hoffentlich hört der Wind morgen auf. Die Warterei ist schon furchtbar öd, obwohl das wahrscheinlich zu den Dingen gehört, die ich eben lernen muss. Ich bin ja nicht umsonst auf dieser Reise.
Es ist mir gelungen, den Reißverschluss meines Zeltes wieder zu reparieren. Damit er nicht wieder kaputt geht, schmiere ich ihn mit einer ganz winzigen Dosis Margarine.
Zwei Buben sammeln irgendetwas am Strand in einen Sack. Ich beobachte sie misstrauisch, weil sie sich ganz nahe bei bei meinem Boot aufhalten. Ich diagnostiziere bei mir Verfolgungswahn, weil ich erstens keinen wirklichen Wertgegenstand im Boot habe und zweitens kein Mensch am hellichten Tag etwas stehlen würde, was er nachts leichter bekommen kann ...
Mein Zelt steht leider in der Sonne. Sonst hätte ich mich schon darin zurückgezogen und ein Nickerchen gemacht. Es ist jetzt 17.45 Uhr. In der Sonne bleibt es fast bis 20.00 Uhr sehr heiß. Jetzt sehe ich eine Gruppe Roma am Strand. Ich merke, dass sie mir irgendwie suspekt sind. Fremd. Vorurteil? Siehe oben. Die Pflanzen vor meinem Zelt duften. Eine Kuh schmeißt fast das Zelt um. Hier werden die Kühe überall hingetrieben, wo etwas Grünes wächst. Praktisch an allen Donauufern sind Kühe unterwegs.
Ein bizarrer Baumrest vor dem Zelt erinnert mich an Picassos Pferd in Guernica. Es ist 19.30 Uhr. Die Sonne scheint immer noch so warm aufs Zelt, dass mir drinnen zu heiß ist.
Heute Nacht habe ich die Milchstraße gesehen. Toller Sternenhimmel ohne „light pollution“.
Vielleicht schickt Katia heute noch ein sms mit Wetter- (Wind) –vorhersage. Würde morgen wirklich gerne weiterfahren.
Blöde Kühe fressen wieder um mein Zelt herum. Der Wind beginnt nachzulassen. Wie gestern Abend und heute Früh. Das heißt aber gar nichts für die weitere Entwicklung. Leider.
Interessante Entdeckung: Kühe fressen an allen Pflanzen. Sie rupfen aber nie die ganze Pflanze weg, sondern immer nur ein Stück. Es wird also nicht „abgegrast“, sondern nur „geerntet“. Soviel zum Thema "blöde Kuh". Als hoffentlich letztes Vieh kommt jetzt noch ein Jungstier hinter dem Zelt hervor. Sorgenvoll schaue ich, ob auch er vorhat über meine Zeltschnüre zu stolpern.
8.7. (Sonntag)
Heute Aufbruch um 6.15 Uhr. Kein Wind. Ruhige Fahrt. Ich lasse Belene rechts liegen. Bade im Fluss. Dann umfahre ich in der Schifffahrtsrinne eine große Insel und peile Svishtov an. Ein Platz zum Campen ist im Führer gut beschrieben, aber wieder mal eine Enttäuschung. Jedenfalls gibt es ein Restaurant mit deutscher (!) Speisekarte. Handgeschrieben. Svishtov beginnt mit Industriegebiet und zieht sich bis zu meinem Camp fast 15 km hin. Bin momentan auf km 550. Es ist jetzt 13.00 Uhr. Ich glaube, ich werde nach dem Essen weiterfahren. Die Donau hat hier den südlichsten Punkt ihres gesamten Laufes erreicht.
Bin von 14.30 bis 16.30 Uhr weitergefahren. Da ich keine Kilometerangaben mehr sehe, erlaube ich mir eine Schätzung: Stromkilometer 535.
Stromkilometer 597 bis 535 = 62 km. Gesamt: 1364 km.
Ich bin hier auf einem paradiesischen Platz. Habe mich gerade mit Hilfe meines Wassersacks rasiert und bade ausgiebig. Es gibt genügend Zeit für Körperpflege und um das Boot genauer anzuschauen. Es war heute so viel Wasser eingesickert, dass ich es mit der Lenzpumpe auspumpen musste. Jetzt trocknet mein Gefährt in der Sonne. Bin wirklich gespannt, wo das Wasser eindringt. Zu sehen ist nichts. Da ich morgen ohnehin mein Ziel erreicht haben werde, mache ich mir aber nicht mehr viele Gedanken darüber. Ich glaube, heute gibt es wieder Gurken und Brot zum Abendessen. Mittagessen hatte ich im Restaurant in Svishtov.
Es ist jetzt 19.45 und immer noch sehr heiß. Ich sitze im Schatten der Bäume hinter meinem Zelt. Vorne knallt leider die Abendsonne noch ordentlich drauf. Hier gibt es viele Möwen. Ich beobachte die Jagd einer Möwe: Sie steht wie eine Lerche über dem Wasser, stößt dann senkrecht hinunter, taucht unter und kommt mit irgend etwas im Schnabel wieder hoch, bevor sie wegfliegt.
9.7. (Montag)
Heute ist mein letzter Tag im Boot. Der hat’s aber in sich! Fast die ganze Stecke habe ich starken Gegenwind. Um 6.15 Uhr bin ich aufgebrochen und mit zweimal zehn Minuten Pause bis 12.00 Uhr gefahren. Anders als im Führer angegeben gibt es auch hier keinen Campingplatz. Außerdem ist der gesamte Nebenarm total versandet. Ich frage im Hotel nach einem Campingplatz. Zwei junge Mädchen in der Rezeption haben weder Ahnung, noch Interesse. Ich nehme im Hotel ein Zimmer. Dann stelle ich das Boot auf Räder und versuche es über den Sand zu ziehen. 200 Meter wären auf Sand zu überwinden, bis ich zu einer asphaltierten Rampe kommen würde. Es geht zwar, aber allein gehen mir die Kräfte aus, weil die Räder immer wieder komplett im Sand versinken. Ich suche Hilfe im Hotel. Zwei Arbeiter schauen sich die Sache an, gehen hinunter, heben das halb beladene Boot auf die Schultern und tragen es mitsamt den Rädern. Jeder kriegt fünf Euro von mir, was hier relativ viel Geld ist. Dann hole ich den Rest der Ladung und ihn ins Boot, bevor ich es bergauf bis vor das Hotel schleppe. Ich lege es auf eine Rasenfläche vor dem Hotel. Heftiger Protest des Personals. Ich versuche ihnen klar zu machen, dass das Boot jetzt zerlegt und dann verpackt wird. Als die Rezeptionistin mit Englischkenntnissen kommt, kriege ich die Genehmigung. Ich arbeite fast zwei Stunden lang an der Entsorgung der Sachen, die ich nicht mehr brauche, der Reinigung und der Verpackung des Bootes und der Ausrüstung. Jetzt fällt mir auch auf, wo Wasser eindringen könnte. Die Außenhaut ist an mehreren winzigen Stellen abgeschürft. Die Stellen sind so klein, dass sie mit Flicken für einen Fahrradschlauch leicht zu reparieren sind. Das hebe ich mir aber für zu Hause auf. Schließlich kriege ich alles so einigermaßen auf meinen zum Transportwagen umgebauten Bootswagen. Zwei der wasserdichten Bootssäcke kommen mit mir aufs Zimmer, der Rest wird in einer Art Werkstätte abgestellt, wobei ich darauf achte, dass die Luftreifen meines Wagens nicht zerstochen werden. Dann folgt Waschen von Hemd- und Unterwäsche sowie eine Dusche meinerseits. Ende des wilden Lebens. Die Zivilisation hat mich wieder.
Stromkilometer 535 bis 501 = 34 km. Gesamt: 1398 km.
Heute habe ich auf der Fahrt eine mindestens 75 cm lange schwarze Schlange im Wasse gesehen. Das war ganz nahe am Ufer, ungefähr bei Stromkilometer 516.
300 Meter vor dem Ende meiner Fahrt ist leider noch die bulgarische Bugflagge samt dem Flaggenstock im Wasser versunken. Der Flaggenstock dürfte sich im Wind aus seinem Gewinde herausgedreht haben.
10.7. (Dienstag)
Frühstück im Hotel. Taxi. Einpacken und Autobusbahnhof. Der Taxifahrer verlangt unverschämte 20 Lev. Ich streite nicht und zahle. Der Bus für die fünfstündige Fahrt nach Sofia kostet 18 Lev. Der Taxler hat mich natürlich beschissen, aber andererseits hatte er auch etwas Aufwand mit meinem Gepäck. Ich habe hier auf dem Busbahnhof auch einen Bus „Istanbul Sofia“ gesehen. Busse dürften Vorrang vor Zügen haben, die laut Katia langsam und schmutzig sind. Musste gerade noch 15 Lev nachzahlen wegen meines Mordsgepäcks. Damit ist die Relation zur kurzen Taxifahrt wieder geringer geworden :-) Angenehme Fahrt. Der Bus muss vor einem Bahnübergang einmal wegen Gleisarbeiten 30 Minuten warten. Ich komme um 15.30 Uhr nach über fünf Stunden in Sofia an. Dort schleppe/rolle ich mein Gepäck zum Bahnhof hinüber, der Gott sei Dank gleich daneben liegt. Ich finde tatsächlich eine Gepäcksaufbewahrung. 2 Lev pro Gepäcksstück pro Tag.
Ich versuche bei der Bahnhofsinformation rauszukriegen, wie ich am besten zu einem Hotel komme. Die Dame dort ist inkompetent und unfreundlich. Dann besorge ich mir ein Ticket Sofia – Wien, mit Abfahrt Donnerstag, 13.10 Uhr. Auch hier erlebe ich eine sehr unfreundliche und forsche Dame am Schalter.
Ein Taxler verlangt 20 Lev um mich zu einem Hotel zu bringen. Im Taxi sehe ich einen Aufkleber, auf dem die Gebühren stehen: 0,5 Lev pro Kilometer. Ich frage, ob wir tatsächlich 40 km weit fahren. Er reagiert pampig. Ich ziehe schweigend mein Notizbuch heraus und schreibe seinen Namen und seine Lizenznummer auf, die am Armaturenbrett ausgewiesen sind. Plötzlich wird er ganz klein und freundlich.
Ich lande nach einiger Suche im "Hotel Zentral". 65 Euro pro Nacht. Na ja, zwei Nächte werde ich mir leisten können.
Am späten Nachmittag und Abend schaue ich mich in der Stadt um und gehe Abendessen. Um 22.00 Uhr gehe ich ins Bett.
11.7. (Mittwoch)
Im Hotel gibt es Frühstück. 8.30 Uhr (bulgarische Zeit, in Österreich ist es 7.30 Uhr) habe ich meine Frau Gertrude angerufen und vereinbart, dass sie am Freitag (dem 13.!!) um 9.00 Uhr herum mit meinem Auto in Wien ist. Wir vereinbaren dann dort telefonisch, wo wir uns treffen. Ich freu mich jetzt schon sehr auf zu Hause. Am Freitagabend findet eine große Geburtstagsfeier meines Freundes Erich in Linz statt. Wenn ich es aushalte, gehe ich vielleicht hin.
Jetzt genieße ich den Abend nach einem interessanten Tag in Sofia. Das Zentrum von Sofia habe ich zu Fuß erforscht. Am Bahnhof habe ich mir angeschaut, was mich morgen bei der Zugabfahrt nach Wien erwartet, damit ich keine Überraschungen erlebe. Beruhigend: Der Zug fährt von hier ab, also kein Kurzaufenthalt eines durchfahrenden Zuges. Ich werde genügend Zeit haben, das Gepäck einzuladen und zu verstauen. Abendessen an einem der Boulevards. Ein Gewitter, das stundenlang herumzieht, bringt mich vorzeitig ins Bett.
12.7. (Donnerstag)
Ausgiebiges Frühstück im Hotel. Habe vor, um 10.00 Uhr herum auszuchecken und dann mit meinen zwei Bootssäcken (Aufschrift „Täglich“ und „Kleidung“) ein Taxi zum Bahnhof zu nehmen und zu schauen, wie ich mit dem Gepäck zu schmeißen komme. Das zerlegte Boot mit meiner gesamten Ausrüstung ist wirklich ziemlich schwer und sperrig.
Überraschung am Bahnhof. Ein Gepäcksträger spricht mich an und organisiert meinen Gepäckstransport mit Elektrokarren bis ins Zugabteil. Natürlich kostet das etwas, aber es ist eine große Hilfe. Der Schlafwagenschaffner organisiert ein Abteil für mich allein bis Wien. Ist auch nicht gratis. Ich habe mir ziemliche Sorgen gemacht, wie ich das mit dem Haufen Gepäck und der Stiege runter und dann wieder rauf hinkriege. Mit Geld scheint alles zu funktionieren.
13.30 Uhr: Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich sitze/liege hier im Abteil und das ganze Gepäck ist verstaut. Zollkontrolle. Mein Gepäck fällt auf, aber „Kajak“ sagt dem Zöllner etwas.
14.00 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit: Ich würde gerne schlafen, aber die blöde Lok hupt dauernd. Unbeschrankte Bahnübergänge?
Die Infrastruktur auf den Bahnhöfen erinnert mich an die Sechzigerjahre bei uns. Sehr viele Bahnübergänge mit Schranken, wenige Unterführungen. Für einen internationalen Zug gibt es relativ lange Wartezeiten in den Bahnhöfen. Tunnels in diesem Zug sind dunkel. Es geht kein Licht im Zug an.
13.7. (Freitag)
Ich wache um 4.00 Uhr in der Früh auf und wundere mich, dass der Zug stillsteht. Stundenlang. Erklärung: Wir sind in Belgrad und haben keine Lokomotive. Der Schaffner hilft mir, mich mit Sandwiches und Wasser zu versorgen, da ich in Sofia nicht damit gerechnet habe, einen ganzen Tag länger unterwegs zu sein. Dann die nächste Überraschung: Mein Waggon fährt nur bis Budapest. Dort muss ich mit meinem Gepäck umsteigen. Das erfahre ich von einer Mit-Passagierin (Svetana), die diese Botschaft des Schaffners für mich ins Deutsche übersetzt. Ich leihe ihr mein Handy für sms, damit sie ihre Freunde über die Verspätung informieren kann. Ihr Handy hat bereits Batterieprobleme und im Zug kann man es nicht aufladen.
Ich rufe Gertrude an, die schon unterwegs nach Wien ist. Fahrplan ursprünglich 13.10 Uhr Sofia ab, 9.00 Uhr Wien an. Jetzt: 13.10 Uhr Sofia ab, ca. 19.00 Uhr Wien an. Der Schaffner erklärt mir über Svetana, dass er mir in Budapest mit dem Gepäck helfen wird.
16.45 Uhr: Ich sitze im Zug Budapest-Wien. Gerade habe ich ein sms an Gertrude geschickt, die fährt nun in Linz los. Der Schaffner hat mir beim Gepäckausladen geholfen. Ein Gepäckträger (8 Euro) hilft mir bei Suche nach meinem Waggon und beim Transport und Einladen des Gepäcks. Der neue Schaffner erlaubt mir, mein Gepäcksungetüm im rückwärtigen Türbereich abzustellen. Jetzt schaut es tatsächlich wieder so aus, als ob ich am Freitag, dem 13. :-) doch noch in Linz ankommen würde. Vielleicht geht sich sogar noch das Geburtstagsfest von Erich aus.
Gertrude holt mich und meinen Gepäckshaufen am Wiener Westbahnhof ab. Es ist so um 19.30 Uhr herum. Zuerst kommt für mich eine Orgie an einem Würstelstand, weil ich ausgehungert bin. Wir landen um 23.00 Uhr beim Fest von Erich. Um 2.12 Uhr, geht’s schließlich ins Bett. Die Heimat hat mich wieder.

Reisefotos Donaureise 2007:
http://www.flickr.com/photos/rainer_remsing/sets/72157600839154544/




Im Jahr 2008 habe ich die Reise fortgesetzt, indem ich bei Giurgiu, in Rumänien, genau gegenüber Russe eingesetzt habe und nach Sulina gefahren bin.

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