20110528

Eine Stadtbesichtigung und fünf Flusswandertage auf der Donau

Paddeln von Regensburg nach Wilhering

Regensburg mit Steinerner Brücke

Will man mit dem Boot von Regensburg nach Linz fahren, muss man zuerst mal mit dem Boot nach Regensburg kommen. Es gelingt mir, meine Frau für ein Wochenende in dieser Stadt zu begeistern und schon habe ich das Transportproblem gelöst. Ein paar Tage später sind wir an einem Freitag bei strahlendem Wetter mit meinem zerlegten Faltboot im Kofferraum unterwegs nach Westen. Problemlos finden wir ein Zimmer in einem Hotel im Regensburger Gewerbegebiet und dann machen wir uns auf den Weg in die Altstadt. Wir durchstreifen Gässchen für Gässchen, nehmen hier und dort einen Happen zu uns, besichtigen die Steinerne Brücke, die schon die Kreuzfahrer unter Ludwig VII. für die Donauüberquerung benützt haben, und suchen darunter nach dem im Lied besungenen Strudel, den es aber nicht mehr gibt. Einem hervorragenden Abendessen in unserem Hotel folgt eine ruhige Nacht mit einem weiteren Tag der Erforschung der Stadt. Heute sind auf jedem Platz und in jeder Gasse in Gruppen auftretende ältere Amerikaner zu sehen, die Schilder mit den Namen ihrer Donau-Kreuzfahrtschiffe umgehängt haben, auf dass sie nicht verloren gehen. Dazwischen bewegen wir uns als Zweiergruppe von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, bis auch der Samstag sich dem Abend zuneigt. Nach einem Abendessen beim Chinesen, folgt der Morgen meiner Abfahrt.

Sonntag:

Zuerst stellen wir das Navigationsgerät unseres Autos auf eine Adresse ein, die wir am Vortag zu Fuß ausfindig gemacht haben und die mich zum Platz des Einbootens bringen soll. Wer auch mal mit dem Kajak von Regensburg wegfahren möchte kriegt nun einen wichtigen Tipp: Mit der Adresse „93059 Regensburg, Weinweg 11“ findet jedes Navi die Stelle, von der man in den Winzerweg einbiegen kann, um auf einer, für Anlieger freien, schmalen Straße zum Kraftwerk unter der Autobahnbrücke zu kommen. Hier baue ich auf einer Wiese mein Falt-Kajak zusammen, küsse meine Frau und stürze mich ins Vergnügen. Jedenfalls fast. Als ich an der Kordel zur Öffnung der Bootsgasse ziehen will, sehe ich ein Schild „Bootsgasse wegen Niedrigwasser gesperrt“. Also Essig mit dem spannenden Start. Boot auf Bootswagen, über Rampe entlang der Bootsgasse das Wehr umfahren, Bootswagen wieder auf das Kajak geschnallt, und dann geht’s wirklich los. Meine Frau winkt noch kurz, freut sich, dass sie nicht mit dem Boot nach Linz muss, sondern ein Auto hat, und schon trennen sich unsere Wege für ein paar Tage. Es ist 10.30 Uhr.

Mein Start in Regensburg war bei Donau-Stromkilometer 2379,7 (so viele Kilometer sind es bis zum Schwarzen Meer). Ich unterfahre Regensburgs Brücken und Stege, unter anderem die völlig strudellose, berühmte Steinerne Brücke, achte darauf, im Stadtgebiet nicht von einem der zahlreichen Kreuzfahrtschiffe gerammt zu werden und bewege mich an der weit oben thronenden Walhalla vorbei zunächst auf das Kraftwerk Geisling zu.

Walhalla

Die Donau ist hier wegen des Staus sehr breit. Leider ist Wochenende, was bedeutet, dass nicht nur Segelboote, sondern auch jede Menge Motorboote und Wasser-Motorräder mit irrer Geschwindigkeit unterwegs sind. Ich finde die Umtragestelle links, aber auf der anderen Seite des Schleusenarms. Hier finde ich hervorragende Bootswagen in einer „Garage“. Dann schiebe ich mein schwer beladenes Fahrzeug – na ja, Zelt, Schlafsack, Proviant, Reservekleidung, Wasservorrat etc. - nun erstmals auf dieser Reise über Land bis unterhalb des Kraftwerks. Nach dem Einsetzen merke ich, dass hier kaum mehr Strömung ist als oberhalb. Die Donau ist hier wieder schmal und mäandert. Die nächste Strecke brennt die Sonne herunter und ich genieße die Landschaft. Am Nachmittag beginnt sich das Wetter aber zu ändern. Die Donau ist hier unten immer noch schön blau, aber der Himmel über mir wird schwarz und schwärzer. Ich hätte zwar noch vorgehabt ein schönes Stückchen zu fahren, liebe es aber,das eher im Trockenen zu tun. Als der Himmel noch dunkler wird, beschließe ich bei Stromkilometer 2351 mein Zelt aufzuschlagen. Ich entdecke linksseitig eine geeignete Stelle und eine halbe Stunde später trommelt schon der Regen auf mein Dach und der Wind rüttelt meine Zeltwände durch. Im Inneren ist es aber warm und gemütlich. Eine Stunde später ist der Spuk vorüber, aber ich habe mich heute schon auf Feierabend eingerichtet und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein.


Montag:

Am nächsten Tag geht es früh los. Nach Katzenwäsche kommt Zeltabbau und Bootsbepackung. Dann die ersten Paddelschläge. 22 km weiter versperrt mir das Kraftwerk Straubing den Weg. Hier gibt es eine Bootsgasse! Ich fahre langsam darauf zu, hänge mir meine Kamera um den Hals, starte knapp vor der Einfahrt in die Gasse die Videofunktion und bin auch schon unterwegs nach unten. Ich verlasse mich darauf, dass die durch Rippen am Boden der Bootsgasse erzeugten Wirbel mein Boot automatisch in der Gassenmitte halten. Sie tun es nicht. Das Boot dreht etwas quer und verklemmt sich am rechten Rand, von wo ich es mit Einsatz meines Paddels als Hebel wegzubringen versuche. Als das gelungen ist, steuere ich es mit steilem Paddeleinsatz rechts oder links – je nachdem welche Richtung der Bug zu nehmen droht – in Richtung Kanalende.

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Die Strecke hinter Straubing ist wunderschön. Der Fluss mäandert, es gibt Schotterbänke und die Schiffahrtsrinne ist so schmal, dass man kaum glauben kann, dass hier die großen Schiffe Platz haben. Ich orientiere mich immer an den Bojen – rechts rot, links grün – um nicht plötzlich hinter einer Kurve mitten in der Fahrrinne vor einem Riesenschiff flüchten zu müssen. An einer Insel, die ein Vogelschutzgebiet ist, fahre ich mehr als zehn Minuten lang unter einer Wolke von Möwen durch, die schreien, als ob es ihnen ans Leben ginge. Dabei komme eher ich mir vor wie im Film „Vögel“ von Hitchcock.
Nach 62 km beschließe ich für heute genug gearbeitet zu haben und suche mir bei km 2289 am rechten Ufer, gegenüber einem Motorboot-Club, einen Platz für mein Zelt. Als ich dieses aufgebaut habe, schaue ich meinen Wasservorrat durch und denke mir, es könnte nicht schaden, diesen etwas aufzufrischen. Also mache ich mich mit zwei großen Pet-Flaschen auf den Weg zum nächsten Haus. Das ist nach zehn Minuten Fußmarsch schnell gefunden. Ich läute an der Tür, höre drinnen ein Geräusch, dann absolute Stille. Ich kann mir vorstellen, was da abläuft. Trotzdem läute ich noch einmal. Niemand rührt sich. Wahrscheinlich hätte ich mir auch nicht aufgemacht, wenn ich mich draußen stehen gesehen hätte. Sicher wäre es besser gewesen, mich vorher zu waschen, zu kämmen, zu rasieren und umzuziehen. Um die armen Leute nicht weiter zu verschrecken, mache ich mich auf den Weg zu einem anderen Bauernhof. Auf der Schotterstraße höre ich von hinten einen Traktor kommen. Ich winke ihm zu. Der Fahrer, ein junger Bauer, zieht geräuschdämpfende Stöpsel aus den Ohren und fragt mich mimisch nach meinem Begehr. Ich erkläre ihm, dass ich gerne irgendwo meine beiden Flaschen auffüllen würde und er sagt, ich solle ihm zum Bauernhof folgen. Er sprintet mit dem Traktor voraus und informiert augenscheinlich seine Mutter, die mir misstrauisch entgegen schaut, mich aber aufgrund der vorausgehenden Information ihres Sohnes jedenfalls nicht des Hofes verweist, sondern auf einen an der Außenmauer des Hauses angebrachten Wasserhahn deutet. Sofort fülle ich meine beiden 1 ½ l Kunststoffflaschen. Eine davon trinke ich sofort aus und fülle sie vor der staunenden Bäuerin neu. Sie weiß nun, sie hat ein Leben gerettet.
Bei meinem Zelt-Zuhause angekommen, reiße ich mir die Kleider vom Leib, springe in die Donau, wasche mir die Haare und kühle mich ab. Ich fühle mich jetzt wieder so ähnlich wie ein Mensch.

Um acht Uhr liege ich im Bett (naja, zumindest auf meiner Iso-Matte) und um fünf Uhr früh gehe ich den nächsten Tag an.

Dienstag:



Abfahrt um 6.00 Uhr. Wunderschöne Fahrt auf dem morgenfrischen Fluss. Kaum Wind. Die im Osten noch tief stehende Sonne blendet mich. Ich paddle einige Stunden durch. Links und rechts tauchen immer wieder die Dächer von Dörfern auf, die hinter dem Damm der aufgestauten Donau und den Hochwasserschutzwänden versunken scheinen. Gegen 10.00 Uhr fahre ich links an einem sehr nahen Dorf vorbei und sehe einen einsamen Aluminiumkahn verankert. Den steuere ich an, weil er eine der seltenen Gelegenheiten zum Anlanden darstellt. Ich vertäue mein Boot längsseits und steige über den Kahn aufs Trockene. Erst jetzt sehe ich, dass der gesamte Uferstreifen eine einzige Baustelle für eine Hochwasserschutzwand ist. Gott sei Dank finde ich nach ein paar Metern eine Stelle, die ich überklettern kann. Dann mache ich mich auf den Weg durch das verschlafene Dorf. Ich finde eine Metzgerei, bei der ich eine Bratenfleischsemmel für Mittag und eine Specksemmel für den Abend oder den nächsten Tag erstehe. Ich zahle ungefähr ein Viertel von dem, was ich angenommen habe, dass es kosten würde. Im Geschäft erfahre ich, dass es hinter dem Dorf einen Hafen gibt, der mir das Überklettern der Baustelle erspart hätte.

Bei Stromkilometer 2237,8 sehe ich am linken Ufer „Gasthof-Pension Fischer-Stüberl“ mit einer wunderbaren Anlegestelle, die ich sofort ansteuere. Ich vertäue mein Boot, kontrolliere, ob es hier die Wellen großer Schiffe unbeschadet aushalten kann und erkundige mich bei einer gehetzten Kellnerin nach einem freien Zimmer. Sie ersucht mich zu warten, bedient ihre Gäste fertig und schaut dann im Computer nach, ob es eine Chance für mich gibt. Es gibt sie nicht. Alle Zimmer belegt. Ich aber gebe nach 51 heißen Kilometern nicht auf: „Könnte ich im Garten hinter dem Haus mein Zelt aufbauen?“. Diese Frage greift. Sie ruft den Chef an, der gibt telefonisch die Erlaubnis und fünf Minuten später sehen mich die Leute im Gastgarten schon reichlich mit meinen wasserdichten Bootssäcken bepackt nach meinem Garten-Zeltplatz streben.
Nach einem opulenten Abendessen im Gastgarten gehe ich wieder früh zu Bett, weil ich am nächsten Tag wieder den kühlen Morgen für die ersten paar Stunden nutzen möchte.

Mittwoch:

Heute strebe ich den winzigen Ort Inzell in Österreich, am Ende der Schlögener Schlinge an, der auf Stromkilometer 2182,4 liegt.
Um sechs Uhr schaukle ich schon wieder auf den Wellen. Nach sieben Kilometern kommt das Kraftwerk Kachlet. Auch hier gibt es wieder hervorragende Bootswagen zum Umtragen. Nach dem Kraftwerk und dem Passieren der Stadt Passau, mit unzähligen verankerten Personenschiffen, kommt ein schöner Donauabschnitt, den ich sehr genieße.



Die Fließgeschwindigkeit ist gering und nimmt bis zum 27 km entfernten Kraftwerk Jochenstein stetig ab. Die Qualität der Umsetzstelle für Sportboote in Jochenstein ist nicht berühmt. Eine Tafel zeigt an, dass die Bootswagen in ein paar hundert Metern Entfernung zu finden seien. Ich mache mich auf den Weg, um festzustellen, dass es zwar Bootswagen gibt, aber nur für Lieblinge des Kraftwerks. Die Fahrgeräte sind nämlich mit Vorhangschlössern versperrt! Also nichts wie zurück, mein Boot auf die Rampe gezogen und meinen eigenen kleinen, mitgeführten Bootswagen aktiviert. Ich ersuche einen vorbeikommenden Radfahrer, mir dabei zu helfen, die Räder unter meinen Kajak zu bekommen. Der steigt sofort ab, ich hebe den Bug meines Bootes an, er schiebt das Wägelchen darunter und schon kann ich die Gurten verzurren. Währenddessen berichtet er mir, gerade vom Schwarzen Meer zu kommen, von Constanza, in Rumänien. Dann erzählt er mir noch ein paar Minuten von seiner Reise, bevor er weiterfährt. Welch ein Glück, dass die Bootswagen versperrt waren!
Vom Kraftwerk Jochenstein weg kommt wieder ein sehr schöner Donauabschnitt. Zunächst geht es an Engelhartszell und dem Kloster Engelszell vorbei, dann durch die Schlögener Schlinge bis zu meinem heutigen Zielpunkt Inzell. Bereits von Jochenstein aus habe ich telefonisch ein Zimmer bestellt. Ich stelle an einer Rampe das Boot wieder auf meinen Bootswagen, ziehe das Gefährt zum Gasthaus, wo ich mir eine Dusche und anschließend jede Menge Flüssigkeit im Gastgarten genehmige. Dann folgt ein Spaziergang und mein Abendessen.
Weil ich es schon so gewöhnt bin, gehe ich auch heute wieder früh schlafen. Frühstück gibt's um acht, wird mir gesagt. Um diese Zeit werde ich aber schon wieder zwei Stunden unterwegs sein.

Donnerstag:

Sechs Uhr Aufbruch und wieder eine sehr schöne Fahrt auf einem mir bestens bekannten Donauabschnitt, den ich schon viele Male von oben nach unten und unten nach oben befahren habe. Mein Ziel ist heute Wilhering.
Knapp vor diesem Zielpunkt liegt zunächst noch das Kraftwerk Aschach, bei dem ich schon x-fach Boote umgesetzt habe und dann das Kraftwerk Ottensheim. Diesmal hat es die Umsetzanlage von Aschach aber in sich! Ich ersuche eine Frau, die zufällig vorbeikommt, mir dabei zu helfen, den Bootswagen unter das Boot zu schieben, während ich das Faltboot wie gewohnt anhebe. Sie macht das bereitwillig. Das Boot sitzt bereits auf den Rädern, wenn auch noch etwas schief, als ich plötzlich ausrutsche und kopfüber ins Wasser falle. Schlammbedeckt und völlig nass krieche ich wieder an Land und bedanke ich mich bei der überraschten Dame. Dann karre ich mein Boot zur Einsetzstelle unterhalb des Kraftwerks. Dort heißt es dann für mich: Bootssäcke mit Handtuch und Reservekleidung heraus, abtrocknen, umziehen und alles wieder einpacken. Ich schiebe mir dann noch ein Stück Wurst, eine Schnitte Brot und einen Müsliriegel zwischen die Zähne, weil ich nach diesem Bad etwas Aufbauendes brauche.
Auf dem Abschnitt zwischen Aschach und Kraftwerk Ottensheim grüße ich eine stromauffahrende Dame, die hinter mir wendet, dann aufschließt und ein Gespräch mit mir beginnt. So wird der letzte Abschnitt meiner Fahrt noch recht kurzweilig. Sie erzählt, dass ihr Mann ein begeisterter Paddler ist, mit dem sie heute schon den Weg von Linz herauf hinter sich hat. Ihr Mann war es auch, der sie zum Paddeln gebracht hat. Er war Rennpaddler und hat bereits zum wiederholten Mal am „Yukon Quest“ in Kanada teilgenommen, der so wie das berühmte Schlittenhunderennen organisiert ist, aber mit Paddelbooten ausgetragen wird. Dabei geht es über mehr als 750 km den Yukon runter bis nach Dawson City.
Beim Krafwerk angekommen, holt sie für mich einen Bootswagen. Für sie selber braucht sie keinen, weil ihr 15 kg-Boot ohne Gepäck leicht zu tragen ist. Unten angekommen verabschieden wir uns und sie zieht mit ihrem Rennkajak nach Linz weiter, während ich nach der Regattastrecke im Ottensheimer Altarm rechts nach Wilhering einschwenke. Bei Kilometer 2144, gleich hinter der Fähre Wilhering-Ottensheim, gibt es nämlich eine Rampe, die zu einer großen Liegewiese führt, die sich hervorragend dafür eignet, mein Faltboot zu zerlegen und die Bootshaut und die übrige Ausrüstung aufzulegen und in der Sonne trocknen zu lassen. Es gibt auch eine schöne Zufahrt für das Auto, mit dem mich meine Frau bald abholen wird. Ich werde viel zu erzählen haben.

Ottensheim von der Wilheringer Seite aus gesehen