Viel Natur – adrette Dörfer und
Städtchen – freundliche Menschen
Wir haben viel von ihr gehört, jetzt
wollen wir sie mal persönlich kennenlernen, die Altmühl. Als
Startpunkt wählen wir Treuchtlingen und als Ausstiegsort Beilngries,
eine Stadt am Ende der Altmühl, noch bevor der Fluss zum Teil des
Rhein-Main-Donaukanals wird. Wir wollen Beilngries am vierten Tag
unserer Flusswanderung erreichen und stellen eines unserer beiden
Autos auf einem Parkplatz in der Nähe des Campingplatzes ab. Als
Anreisetag haben wir den 10. August geplant. Wie sich herausstellt,
ebbt die diesjährige Hitzewelle exakt vorher ab und beschert uns auf
unserer Fahrt Bewölkung, zeitweise Regen und Temperaturen unter
16°C. Als Flusswanderer sind wir zwar nicht zimperlich, aber als es
am Anreisetag bereits regnet und der Wetterbericht für den nächsten
Tag Schlimmeres ankündigt, sind wir „not amused“.
Wir werden im Hotel Stadthof
Treuchtlingen von zwei Damen freundlich empfangen und man bietet mir
sogar eine leere Halle als Platz für den Aufbau meines Faltbootes im
Trockenen an. Mit hoteleigenen Regenschirmen machen wir uns dann an
die abendliche Besichtigung der Stadt Treuchtlingen. Bei einem
Italiener finden wir noch einen freien Tisch und genießen den auf
uns leicht chaotisch wirkenden Organisationsablauf des Lokals, den
engagierten Kellner und auch das Auftauchen des Kochs, als es eine
offene Frage zu klären gibt.
Erster Tag:
Ich baue nach einem ausgezeichneten
Frühstück mein Falt-Kajak in der angebotenen Halle auf, während
Erwin und Gerald dank ihrer Prion-Kunststoffboote noch eine Stunde
Hotelzimmer genießen können. Dann ziehen wir bei dräuenden Wolken
über unseren edlen Häuptern die Boote auf unseren Bootswagen zur
zweihundert Meter entfernten Einstiegsstelle und die Erforschung des
Flusses beginnt.
Wir lernen die Altmühl als
romantisches, seichtes, mit Teichrosen verziertes, sehr langsam
fließendes Gewässer kennen, bei dem der Kiel immer wieder über
diverse Wasserpflanzen gleitet oder dem Schotterboden gefährlich
nahe kommt. Manchmal transportieren wir auf unseren Doppelpaddeln vorübergehend auch grüne Schlingpflanzen.
Das Wetter ist besser als
erwartet.Wir sehen Pappenheim und Solnhofen,
ziehen an sehr schönen Gesteinsformationen, den „Zwölf Aposteln“,
vorbei und begegnen Enten und Reihern. Dabei müssen wir uns immer
wieder einen Weg zwischen umgefallenen Bäumen, weit ins Wasser
hereinhängenden Weiden und knapp unter der Wasseroberfläche
liegenden Schotterbänken suchen.
Da wir auf eine Mittagspause
verzichten, geht es bis zum frühen Nachmittag nach Mörnsheim, wo
wir unsere Boote regendicht verpackt am Zeltplatz Hammermühle liegen
lassen dürfen, der etwa zwei Kilometer von unserer Unterkunft, dem
„Gasthof zum Brunnen“ in Mörnsheim, entfernt liegt. Erwin hat
klugerweise vorher mit der Wirtin Kontakt aufgenommen und die hat
zugesagt, uns vom Zeltplatz abzuholen, so dass uns ein längerer
Fußmarsch mit schweren Bootssäcken erspart bleibt. Dadurch sind wir
motiviert, uns nachher auch bei leichtem Regen ein bisschen im Dorf
umzuschauen. Wir entdecken ein ziemlich geschmackvoll renoviertes
Kircheninneres, schöne und saubere Häuser und eine Art Maibaum, mit
historischen Darstellungen. Durch das Dorf zieht ein regulierter
kleiner Bach, der für ein bisschen mehr Wasser in der Altmühl
sorgt.
Bei einem guten Abendessen und einem
Glas Wein beenden wir den Tag, indem wir noch stundenlang
diskutierend beisammen sitzen.
Zweiter Tag:
Nach dem Frühstück fährt uns die
Wirtin zurück zu unseren Booten und kurz darauf ziehen wir schon
wieder auf der Altmühl dahin, unserem Tagesziel Eichstätt entgegen.
Die Flussgeschwindigkeit bewegt sich fast immer zwischen null und
einem Stundenkilometer und wir sind etwas enttäuscht von der
Wasserqualität der braunen Altmühl.
Es gibt relativ viele Wehre mit
Umtragestellen, die aber meist in wenigen Metern zu bewältigen sind.
In vielen Fällen brauchen wir nicht einmal die Bootswagen, sondern
tragen oder ziehen die Kajaks über die Wiese zu den Einsetzstellen
im Unterwasser.
In Einzelfällen gäbe es auch Bootsgassen, die enden
aber immer in einem Riesenschwall und wir haben gerne einigermaßen
trockene Boote. An einzelnen Stellen, bei denen nur schmale Gassen
zwischen knapp unter der Oberfläche liegenden Schotterbänken
entstanden sind, gibt es für wenige Meter eine richtige Strömung.
Da an einer dieser Stellen ein Baum tief ins Wasser hängt, bleibe
ich mit einem Rad des hinter mir auf dem Kajak befestigten
Bootswagens an einem Ast hängen, werde von der Strömung
quergestellt und nach vorne gedrückt. Ich kämpfe zwei Minuten lang
mit dem Ast und der Strömung und denke sogar schon ans Aussteigen,
um das Boot zu befreien, als es sich mit einem Ruck löst. So lauern
auf der Altmühl also auch gar schröckliche Gefahren!
Zwischendurch beobachten wir
Wasservögel. Schön anzusehen sind die Reiher, wie sie mit
angehobenem Schnabel regungslos im Wasser oder am Ufer stehen, aber
immer weg fliegen, wenn sich unsere Boote auf zwanzig bis dreißig
Meter genähert haben.
Auf dem stark mäandernden Fluss gibt
es immer wieder wunderbare Fotomotive, an denen man nicht
vorbeikommt, ohne abzudrücken, sei es wegen schöner Burgen, wegen
steiler Felsen, wegen Riesenteppichen mit Teichrosenblättern und
-blüten oder interessanten Vögeln.
Bereits im Bereich der Stadt Eichstätt
kommen wir zu einer niedrigen Brücke von der ein großes Schild mit
der Aufschrift „Durchfahrt verboten“ herunterhängt. Erwin
erkundigt sich bei einer am Ufer stehenden Frau, warum Eichstätt
beschlossen hat, dass hier das Ende unserer Fahrt sein soll. Sie weiß
es nicht, also ignorieren wir das Verbot und fahren weiter bis zum
städtischen Campingplatz, bei dem wir eine Ecke finden, die unsere
Boote über Nacht ausreichend schützt. Von dort weg ist wieder ein
Fußmarsch angesagt. Wie wir von einem Mann mit Hund erfahren, ist es
zum vorgebuchten Hotel zwar nur eine Viertelstunde, aber es reicht,
dass uns die Bootssäcke mit unseren Siebensachen die Arme um
gefühlte zehn Zentimeter verlängern.
Nach Einchecken, Dusche und
Kleidungswechsel fühlen wir uns in der Lage, die hübsche Stadt
Eichstätt näher unter die Lupe zu nehmen.
Wir durchwandern die
gesamte Innenstadt mehrmals und machen uns, weil bereits der Hunger
in den Eingeweiden bohrt, auf die Suche nach einem geeigneten Lokal.
Das ist schwieriger zu finden als gedacht. Wo wir hinkommen ist
entweder alles voll oder eine Gruppe von Leuten wartet schon vor der
Eingangstür auf einen freien Tisch. Schließlich landen wir wieder
bei einem Italiener, auch total voll, aber wir kriegen für
eineinviertel Stunden einen Tisch zugesichert. Während wir
versuchen, das ausgezeichnete Essen einschließlich eines Glases
Chianti in der vorgegebenen Zeit zu bewältigen, kriegen wir vom
ziemlich überlastet wirkenden Kellner noch einen Aufschub genehmigt,
was uns den Essensgenuss rettet. Wir sind ihm sehr dankbar, denn
während wir essen, muss er immer wieder neu hereindrängende Leute
abwimmeln.
Dritter Tag:
Nach dem Frühstück bestellen wir ein
Taxi. Unser Transport und der unseres Gepäcks zum Campingplatz ist
uns die fünf Euro wert, die es kostet.
Kurz darauf schwimmen unsere Boote
wieder im Wasser und wir sind wieder mit einer ähnlichen Altmühl
konfrontiert, wie in den vergangenen Tagen. Diesmal vielleicht mit
einer etwas weniger kurvenreichen. Auch heute gibt es wieder viele
Wasservögel zu sehen, viele seichte Stellen zu überwinden, bei
denen wir den Kiel nicht selten über den Schotter schrammen hören,
und eine herrliche Flusslandschaft. Auf einer langen Teilstrecke ohne
Wehr machen wir, um uns die Füße ein bisschen zu vertreten, am Ufer
eine Mittagsrast, allerdings ohne Mittagessen. Nach uns landet eine
Junge Mutter mit kleiner Tochter an. Wir hatten ihren Kajak knapp
vorher überholt. Als wir an einem Holztisch beisammen sitzen kommen
wir ins Gespräch und sie erkundigt sich nach unserem Woher und Wohin
und auch nach unseren Kajaks, da sie vorhat, sich vielleicht auch
eines zu kaufen. Das Boot, mit dem sie heute hier ist, ist ein
Leihboot. Ihr Töchterchen – sie heißt Johanna, wie sie uns sagt –
bietet uns von ihrem Mittagessen eine Gurkenscheibe und ein Stück
Paprika an, was wir gerne und mit Dank annehmen.
Nach diesem netten Kontakt fahren wir
die restlichen vier Kilometer nach Kipfenberg, unserem heutigen
Tagesziel. Auch hier haben wir eine Pension vorgebucht. Einen
Ausstieg finden wir bei einem Bootsverleih. Wir überlegen, ob wir
unsere Kajaks hier ungeschützt liegen lassen können und
entschließen uns dazu, weil wir eigentlich keine Alternative haben.
Ein junger Mann mit Dreadlocks, der den Bootsverleih betreut,
beobachtet uns dabei und bietet uns seine Hilfe an. Er sagt, wir
können die Boote gerne über Nacht hier liegen lassen und schlägt
vor, sie mit einem dünnen Stahlseil und einem Schloss zu sichern.
Wir sind hocherfreut über das Angebot, noch dazu wo es heute in
Kipfenberg das „Limesfest“ gibt, an dem Leute vielleicht zu
alkoholbedingten, sonderbaren Überlegungen kommen könnten. Er
fädelt das Seil durch meinen Bootswagen und verschiedene Ösen
unserer Boote, dann um einen Baumstamm und verschließt es mit einem
Vorhängeschloss. Anschließend gibt er uns den Schlüssel und sagt
uns, wo wir Seil, Schloss und Schlüssel am nächsten Morgen
deponieren sollen. Wir sind begeistert von der heutigen Jugend und
sagen ihm das auch.
Als wir bei unserer Pension ankommen,
erwischen wir gerade noch den Besitzer, der vorhat, zum Limesfest zu
gehen. Auf einem Schild hätte er uns informiert, dass er in ein paar
Stunden wieder zur Verfügung stehen würde. Das wäre lustig für
uns gewesen, verschwitzt und mit Gepäck beladen irgendwo zu warten.
So aber ist alles gut. Wir kriegen unsere Zimmerschlüssel, duschen
und ziehen uns um, durchwandern den Ort und landen schließlich beim
Limesfest. Dort wandeln viele Leute in historischen Kostümen, was
wirklich gut aussieht. Der Trubel in der Festhalle und der Lärm
ziehen uns aber weniger an. Wir gehen zurück zum Ort und besichtigen
einige Lokale. Wir landen dann in einem griechischen Lokal mit
hervorragendem Essen, gutem Wein und exzellenter Bedienung. Der
Besitzer kennt Österreich und hat sogar mal überlegt, bei uns ein
Lokal aufzumachen.
Wir genießen diesen kulinarischen
Event, spazieren gemächlich zu unserer Pension und gehen früh zu
Bett.
Vierter Tag:
Wie üblich starten wir den Tag mit
einem Frühstück um halb acht, suchen dann unsere Boote (sie sind
noch da!), schließen sie auf und sind bald wieder auf dem Wasser.
Wir haben nur mehr siebzehn Kilometer nach Beilngries. Die kurze
Fahrt kommt uns entgegen, weil wir heute noch zurück nach
Treuchtlingen müssen, um das zweite Auto zu holen und anschließend
nach Hause zu fahren.
Heute ist der erste sonnige und heiße
Tag. Wir haben unsere Sonnencreme, Sonnenschutzfaktor 50 also doch
nicht umsonst mitgenommen!
Die Fahrt ist so schön wie an den vorigen
Tagen, nur erleben wir heute erstmals, was uns vorausgesagt worden
ist: eine Armada von Leihbooten, die den schmalen Fluss teilweise
versperren. Das ist – bedenkt man den extrem niedrigen Wasserstand,
bei dem man immer nach einer schmalen Fahrrinne Ausschau halten muss
– nicht sehr angenehm. Heute ist das Wasser noch seichter als an
den vergangen Tagen und Gerald und ich sitzen sogar einmal auf. Ich
kann mich nur befreien, indem ich mitten im Fluss aussteige. Das
Wasser ist knöcheltief …
Bald sind wir in Beilngries. Ungefähr
dreihundert Meter vor der öffentlichen Ausstiegsstelle finden wir
den Ausstieg des Campingplatzes, bei dem wir anlanden. Wir entdecken
eine freie Wiese, die sich zum Abbau meines Faltbootes eignet und wo
auch genügend Platz für die Kajaks von Gerald und Erwin ist.
Während ich mich an den Abbau meines Bootes mache, erkundigen sich
die beiden bei der Campingrezeption, ob wir die Erlaubnis haben, das
Gelände des Platzes für unser Vorhaben zu benützen. Die Leute sind
sehr nett und wir kriegen die Genehmigung ohne Probleme.
Dann fährt
Erwin mit Gerald in meinem Auto nach Treuchtlingen, zu Geralds Wagen
um mit beiden zurückzukommen. Ich erwarte die Zwei in zweieinhalb
Stunden. Obwohl ich langsam arbeite, bin ich in einer
Dreiviertelstunde mit dem Zerlegen meines Bootes fertig. Dann beginnt
die Wartezeit, die mir aber entgegenkommt, weil die Bootshaut in der
prallen Sonne ordentlich trocknen kann. Die beiden kommen mit den
Autos pünktlich zurück und in der nächsten halben Stunde beladen
wir die Fahrzeuge, bevor wir zum Abschluss-Mittagessen ins Zentrum
von Beilngries fahren. Wir finden einen schönen Gastgarten, trinken
eine Apfelschorle und essen einen großen, bunten Salat. Dann
verabschieden wir uns von der Altmühl und auch voneinander. Wenn
alles gutgeht, werden wir in dreieinhalb Stunden in Linz einfahren.