20140714

Die Mosel

Paddeln auf einem nicht fließenden Fluss inmitten von Weingärten




Freitags geht’s los.

Drei Mann und drei Boote in bzw. auf einem Auto. Als Zeitraum haben wir eine Woche Anfang Juli gewählt, weil das Wetter Anfang Juli immer gut ist. Eigentlich wären wir vier Mann in zwei Autos gewesen, aber einer ist verletzungsbedingt, wegen sportlicher Aktivitäten in einer anderen Disziplin, im letzten Augenblick ausgefallen. Wir ziehen auf der Autobahn von Linz an der Donau 700 km nach Nordwesten, wo die Mosel durch Weingärten mäandert. Es ist eine unkomplizierte Fahrt. Im Navi haben wir als Zieladresse „An der Jugendherberge 2, 54292 Trier“ eingegeben. Aus dem Internet wissen wir, dass dort die „Trierer Kanufahrer“ hausen. Wir finden das Bootshaus problemlos und werden von den heimischen Paddlern und einer netten Dame freundlich empfangen und unterstützt. Weil es regnet, darf ich mein Faltboot im Bootshaus zusammenbauen. Auf dem Klubgelände können wir für den Zeitraum unserer Reise unser Auto parken.



Wir wandern mit den Bootssäcken ins Hotel, gehen zunächst in ein Restaurant mit Fernsehgerät (es ist Fußball-Weltmeisterschaft), schauen uns aber die 2. Halbzeit beim „Public Viewing“ auf einem gerammelt vollen, großen Platz an. Dann trotten wir müde zurück ins Hotel.

Samstag

Beim Frühstück unterhalten wir uns über „basische Ernährung“, weil einer von uns, ich sag nicht wer, vor einem Monat eine entsprechende Kur nötig hatte, um zehn Kilo abzunehmen. Es ist ihm so gut gelungen, dass ich ihn bei der Abfahrt kaum erkannt habe. Wir drücken Eier, Wurst, Butter, Cereals, Marmelade Honig und Brot in uns hinein und wissen aus dem Wetterbericht, dass in dieser Woche alles möglich ist, nur kein wirklicher Sonnenschein.
Im Bewusstsein, dass es eine feuchte Woche werden wird, schieben wir bei Flusskilometer 191 unsere Boote ins Wasser. Als wir drinnen sind, entsteht der Verdacht, dass wir mangels Fließgeschwindigkeit nur relativ langsam vorankommen werden. Dafür werden wir uns aber auch jeden Zentimeter eigenhändig erarbeitet haben.



Im Laufe der Fahrt erkennen wir, dass die Mosel für Kajaks kaum Ausstiegsmöglichkeiten bietet. Es gibt nur an ganz wenigen Stellen Rampen oder geeignete Anlegestellen, von Schotterbänken als Rastmöglichkeit gar nicht zu reden. Auf den steilen Hängen des Moseltales, die sich rechts und links von uns zeigen, ist jeder Quadratzentimeter Boden mit Reben bedeckt. Schaut reizvoll aus und macht uns schon in der Früh den Mund für eine abendliche Verkostung der Moselweine wässrig.
Die Fahrt ist schön, aber großteils verregnet. Da die Lufttemperatur bei 20°C liegt, macht uns die Feuchtigkeit von oben kaum Probleme. Unter unseren Anoraks und den Spritzdecken ist es fast zu warm.
Nach ein paar kräftigen Güssen finden wir am frühen Nachmittag in Pölich, bei Stromkilometer 169, links einen Bootshafen, wo wir gleich rechts an einer Slipanlage aussteigen, weil wir eine Pause machen wollen. Weil es immer noch regnet und uns der Hafenmeister ein Hotel in der Nähe empfiehlt, entschließen wir uns dann aber, im Ort Pölich zu übernachten. Nicht ganz unmotivierend war dabei, dass am Abend ein Weinfest angesagt war! Wir besuchen dieses auch, aber darüber schweigt die Chronik.

Sonntag

Nach einem einfachen Frühstück treten wir den Rückmarsch zu den Booten an. Mit unseren Bootssäcken behängt wie die Christbäume, müssen wir auf Beobachter einen interessanten Eindruck gemacht haben. Bald sind wir wieder aus dem Hafenbecken draußen. Habe ich schon erwähnt, dass es im Moment nicht regnet? Es regnet nicht!



Wir erreichen nach zwei Kilometern das Kraftwerk Detzem. Weil es keine Bootsgasse gibt und wir nicht umtragen wollen, benutzen wir die Selbstbedienungsschleuse für Sportboote. Auf einer elektronischen Tafel wird jeder Schritt, der dabei zu unternehmen ist oder welche Vorgänge im Moment laufen und wie lange diese dauern, hervorragend erklärt. Der Nachteil beim Schleusen ist die lange Wartezeit. Hier haben wir noch dazu neun Meter Absenkung zu absolvieren.
Bei schwülem Wetter fahren wir bis Piesport/Niederemmel. Dort finden wir bei Flusskilometer 148 vor einem Hotel eine geeignete Stelle zum Aussetzen. Wir können die Boote schonend über eine Graskante herausziehen.



Ziemlich verschwitzt erkundigen wir uns ob Zimmer frei wären und bekommen prompt welche. Die Boote dürfen wir auf Bootswagen auf dem englischen Rasen des Hotelparks liegen lassen. Eine Stunde später durchqueren wir geduscht, geschnäuzt, gekämmt und adrett gekleidet das Hotelportal und begeben uns auf die Suche nach Sehenswürdigkeiten. Leider werden wir bei diesem Bestreben durch einen hinterhältigen Eissalon ziemlich aufgehalten. Abendessen gibt’s später dann im Gastgarten des Hotels unter einem Sonnenschirm. Als das Essen serviert wird, wird aus dem Sonnenschirm ein Regenschirm und ein paar Minuten später ersucht uns das Personal bereits, diesen Ort in Richtung Trockenheit zu verlassen, weil uns der Schirm bei dem zu erwartenden Sturm bald um die Ohren fliegen könnte. Wir kommen dem Vorschlag gerne nach, ergattern einen Tisch mit Panoramablick und beobachten, was hier gerade über Land und Wasser zieht. Beim Essen beschwert sich Erwin, dass wir bisher eigentlich noch nichts geleistet hätten. Wo er recht hat, hat er recht.

Montag

Nach kurzer Zeit erreichen wir bei Flusskilometer 138,5 dir Staustufe Wintrich. Hier gibt es eine Bootsgasse! Ich melde mich freiwillig für die Erstdurchfahrt. Meine beiden Kollegen lesen mir den Ablauf, der auf einer Tafel an der Kaimauer steht, genau vor. Nützt aber nichts. Ich missverstehe eine der Anweisungen und fahre zu früh in die Gasse ein, was den Schleusenwärter veranlasst, nachzuschauen, ob ich heil unten angekommen bin. Als er sieht, dass trotzdem alles geklappt hat, gibt er die Gasse für die anderen wieder frei. Ich warte währenddessen unten mit meiner gezückten Outdoor-Kamera auf meine Kollegen. Beim ersten murkse ich an der Kamera herum, weil ich wegen der Spiegelung am Display kaum etwas sehe. Erst als er herunten ist, kriege ich es hin. Zu spät. Mit diesem Erfahrungsschatz schaffe ich es schließlich, die nächste Durchfahrt zu dokumentieren.
Auf der Weiterfahrt sehen wir – wie auch schon bisher – rechts und links des Flusses ein reizvolles Dörfchen nach dem anderen.



Zwischendurch finden wir tatsächlich mal eine Schotterbank! So eine Gelegenheit zwingt uns förmlich zur Rast. Wir verspeisen unsere Käsesemmeln und Äpfel, die uns Erwin selbstlos in aller Frühe besorgt hat.
Weiter geht es, vorbei an Mühlheim, Bernkastel-Kues und Wehlen bis zur Staustufe Zeltingen, bei Flusskilometer 124. Hier gibt es wieder eine Bootsgasse. Eine mit einem ordentlichen Schwall im Unterwasser. Ich hätte halt doch die Spritzdecke nehmen sollen ...


Als ich einen Kilometer weiter, bei Zeltingen-Rachtig das Boot innen wieder trockenlege, spricht mich jemand auf mein Klepper-Faltboot an. Ein Ehepaar, das früher begeistert mit einem Zweier-Kajak von Klepper unterwegs war, nützt die Gelegenheit zu einem Plausch mit uns. Wir kriegen wertvolle Tipps für spätere Fahrten auf deutschen Flüssen.
Wir sind jetzt auf Flusskilometer 123 und beschließen hier zu nächtigen. Erwin macht sich auf die Suche nach einer Bleibe. Kurz darauf erscheint er mit Zimmerschlüsseln und wir bewegen unsere Boote wieder mal ein schönes Stück auf Rädern über Land. Diesmal ist es nicht nur unten trocken. Es scheint sogar ein bisschen die Sonne. Unsere Wirtsleute machen in einer winzigen Seitenstraße einen Platz frei und wir schlichten die Kajaks in eine Nische zwischen Hauswand und Blumentöpfen.



Eine Stunde später verlassen drei saubere, frisch geduschte Herren ihre Herberge und erkunden das Dorf. Auch hier finden wir wieder die aus Schiefersteinen errichteten Kirchen mit Spitzdach, die uns schon in anderen Ortschaften aufgefallen sind. Auch zahlreiche alte Häuser bestehen überwiegend aus Schiefer.
Wir finden Hochwassermarken, die zeigen, dass es hier bis in jüngste Zeit große Überschwemmungen gegeben hat.
Beim Herumstreifen genießen wir die Sonne und die angenehme Temperatur. Wir trinken Traubensaft, Moselwein und Mineralwasser, essen in einem netten Restaurant zu Abend und gehen nicht zu spät ins Bett.

Dienstag

In der Nacht hat es – wie üblich – einen Schlechtwettereinbruch gegeben. Erich hat einige Sachen auf dem Boot zum Trocknen liegen lassen. Dafür hätte es bessere Plätze gegeben. Die Temperatur ist stark gesunken. Wir erkennen: ab jetzt werden wir nicht nur nass sein, sondern auch frieren. Beim Frühstück gibt es eine längere Diskussion, wie mit den gegebenen Umständen umzugehen sei. Weil zum Kajakfahren das Fahren bei Schlechtwetter dazugehört, ergibt sich schließlich eine Dreidrittelmehrheit fürs Weiterfahren. Nass ziehen wir die Boote zum Fluss, nass steigen wir ein, nass fahren wir weiter.



Nur wenn ich mich bewege ist mir warm. Das führt dazu, dass ich gemeinsam mit dem einen Kollegen im Kreis herum paddle, während der andere draußen eine kurze Pause macht um sich die Füße ein bisschen zu vertreten. Trotzdem erkennen wir, dass auch eine Regenfahrt lustig und bereichernd sein kann. Als wir bei Stromkilometer 107, in Traben-Trarbach, allerdings eine Rampe entdecken, die sich zum Aussteigen anbietet, beschließen wir, dass auch der schönste Spaß mal ein Ende haben muss. Weil die majestätischen Schwäne, die hier herumschwimmen, auch eine Hinterseite haben, ist die Ausstiegsrampe voller Tretminen. Wir schaffen es aber doch, unsere Fahrzeuge einigermaßen sauber aus dem Wasser zu bekommen und unter eine nahe Straßenbrücke zu ziehen. Erich und Erwin finden 50 Meter weiter ein Hotel, bei dem wir die Möglichkeit haben, die Boote in der Tiefgarage abzustellen, wo wir auch unsere Ausrüstung trocknen können.
Donnerstag war unser geplanter Heimreisetag. Für Mittwoch ist aber noch schlechteres Wetter angesagt, als heute. Also wieder einstimmiger Beschluss: Wir beenden hier unsere Moselfahrt.
Knapp darauf ist Erwin schon mit dem Zug unterwegs zu seinem Auto in Trier. Kaum dreieinhalb Stunden später ist er wieder zurück. Wir wandern mit Leih-Regenschirmen aus unserem Hotel ein bisschen in der Stadt herum, essen zu Abend und schauen uns um 22 Uhr das Weltmeisterschafts-Halbfinalspiel Brasilien-Deutschland an, das wohl keiner, der es gesehen hat, je vergessen wird.

Mittwoch

Wie durch die Wettervorhersage angekündigt, regnet es, als wir die Boote am Autodach verzurren. Es regnet auch fast auf der ganzen Rückfahrt. Sollte jemand fragen, wie das Wetter bei unserer Moseltour war, können wir aber trotz allem sagen: „Gut. Hat gepasst.“